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wies er die Herren an den Herzog von Padua, den der Kaiser Napoleon, „sein hoher Alliirter," zum Gouverneur der Stadt ernannt habe. Er selbst habe keine militärischen Verfügungen zu treffen. Seine Truppen könne er nicht aus dem Gefecht zurückziehen; denn er habe sie dem Kaiser Napoleon überwiesen, von dem und dessen Marschällen, nicht von ihm, hätten sie Befehle zu erhalten. Sehr verwundert äußerte Toll, das seien ganz andere Dinge, als Ryssel draußen im Namen des Königs den Monarchen vorgetragen habe. Dieß schien Friedrich August zuzugeben — er wußte also um Ryssel's Sendung und deren Inhalt; er erklärte sogar, warum er persönlich zurücknehme, was Nyssel in seinem Namen gesagt hatte, indem er erwiderte, er habe geglaubt, der Kaiser Napoleon „habe die Sache aufgegeben"; vor einer halben Stunde aber sei sein hoher Verbündeter bei ihm gewesen und habe ihm versichert, daß er Leipzig nur verlasse, um im freien Felde zu manövriren, und daß er die Stadt in zwei oder drei Tagen entsetzen werde. — Man vergleiche damit das Verhalten des Königs von Preußen, nachdem er Kunde von Aork's Kapitulation erhalten. Auch hier handelte es sich um eine Krone, aber man wagte sie, man setzte sie ein.
Mein Tagebuch im Proceß Sozogno von W. Wyl. Zürich, Verlags-
Magazin. 1876.
Am 6. Februar v. I. wurde in Rom der Journalist Raphael Sozogno, Redacteur des radicalen Oppositionsblattes „Capitale" in seiner Wohnung erdolcht. Der Mörder war der Tischlergesell Pio Frezza, der Anstifter des Mordes Giuseppe Luciani. einer der vielen politischen Jndustrieritter, welche in der italienischen Demokratie eine Rolle spielten, ein Freund Garioaldi's, ein Freund auch Sozogno's, bis dieser sich von ihm zum Hahnrei gemacht sah und nun den ehemaligen Intimus in seinem Blatte befehdete, sodaß derselbe bei der Wahl für das Parlament durchfiel. Der Mord machte das größte Aufsehen, bet dem Proceß plaidirten die berühmtesten Advocaten Italiens, traten eine Anzahl der hervorragendsten Leute des Königreichs als Zeugen auf und kamen Dinge an den Tag, welche die jetzigen Zustände in Rom in sehr eigenthümlichem Lichte erscheinen lassen. Der Proceß hat auch für Juristen erhebliches Interesse, aber der Werth unserer Schrift für das größere Publicum liegt darin, daß die Verhandlungen, die uns hier in größter Ausführlichkeit und Lebendigkeit vorgeführt werden, eine Anzahl scharf ausgeprägter Typen zeigen, von denen jeder seine Gattung deutlich repräsentirt, daß ferner diese Typen auf einem der denkwürdigsten Schauplätze der Welt auftreten, endlich aber, daß dieses Auftreten in einem Zeitpunkte stattfindet, wo sich in Rom eine große historische Umwandlung vollzieht. Lose aneinander gereiht, aber offenbar im frischen Gefühle des Augenblicks niedergeschrieben, machen diese