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Ein Besuch bei Ferdinand Freiligrath.
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wieder nach Cuxhafen zu segeln, wurde er von der Cholera ergriffen, seine Frau vom Typhus, und nach wenigen Tagen waren beide todt. Daran anknüpfend, sprach er von einem andern deutschen Maler seiner Bekanntschaft, der als Aquarellmaler großes Glück in London gemacht hatte. Er hieß Haag, und hatte in Fürth einen der englischen Prinzen kennen gelernt, der sich auf einer Wanderung verirrt hatte. Der Prinz fand Gefallen an ihm und for­derte ihn auf, nach England zu kommen, wo er bald durch seine Empfehlung bei Hofe und in den Kreisen der höchsten Aristokratie reichlich zu thun fand.

Er war früher ein rother Republikaner. Als ich 1848 zum ersten Mal wieder nach Deutschland zurückkehrte, weil jetzt meiner Rückkehr nichts mehr im Wege stand, hielt ich es doch für räthlich mir einen preußischen Paß geben zu lassen, da man in Holland zuweilen aus Schwierigkeiten stieß. Die Ge­sandtschaft in London zeigte sich indessen etwas bedenklich, und das veran­laßte mich an Bunsen zu schreiben, es könne mir der Paß nicht verweigert werden, ich würde am andern Tage hinkommen und hoffte alsdann ihn bereit zu finden. Ich nahm Haag als Zeugen mit mir nach der Gesandtschaft, und erhielt auch von Bunsen den gewünschten Paß, den er mir mit diplo­matisch sauer - süßer Miene einhändigte. Auch er hatte sich zu diesem Rendez­vous einen Zeugen bestellt, den Gesandtschaftsattache' N., ein kleines Männchen, das in einem großen Fauteuil vergraben lag."

Wir kamen dann aus die gegenwärtigen Literaturzustände in Deutsch­land zu sprechen.

Ich habe, sagte ich, mit großer Genugthuung die Abfertigung gelesen, die Sie kürzlich in derGegenwart" Paul Lindau's Ernst Eckstein zu Theil werden ließen*). Ganz abgesehen von der sprachlichen Blöße, die er sich gab, indem er sein Original gar nicht verstand, verdiente er die Zurechtweisung auch des verkehrten Princips wegen, das er vertritt. Als wenn dem Ueber­setzer das Recht zustände, in dieser Weise sein Original zu verbessern.

In diesem Falle zu schlimmbessern, bemerkte Frau Freiligrath.

Ich freute mich, daß ganz unabhängig von mir Gisbert Vtncke gleich­zeitig dasselbe äußerte", sagte Freiligrath.Mir kam es vor, wie die Contra- signatur eines Ministers."

Die Schläge von den beiden Westfalen werden doch wohl etwas gewirkt haben, fügte seine Frau hinzu.

Freiligrath äußerte sich über den übermüthigen und pietätlosen Ton, der unter unsern jüngsten Schriftstellern in der Beurtheilung älterer Dichter herrscht.Lesen Sie die Deutsche Dichterhalle?" fragte er mich.

") Eckstein hatte Longfellow's?sallu ok Likv« übersetzt und glaubte dem Dichter ver­schiedene Schiefheiten, falsche Bilder u. dgl. nachweisen zu können, die er in seiner Ueber- setznng bessern zu müssen glaubte.