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Aus der holländischen Hauptstadt. 1.
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das N einlief allein diese Flotte ist nicht mehr vorhanden. Die Helden- Kühne ist noch unverändert dieselbe, die Spieler sind abgetreten. Aber wo wir in Holland gehen, überall wirken die Erinnerungen jener großen Zeiten auf uns, von den Tagen an, da sich unterdrückte Nationalität und unter­jochter Glaube zum blutigen Rachewerk erhoben, bis dahin, wo der Name Holland der Schrecken von Whitehall und Versailles war. Allenthalben be­gegnen wir diesen Erinnerungen, in der verschiedensten Gestalt, in Städten und Dörfern, in den Denkmälern der Kirchen so gut, wie in den Bildern der Gemäldegalerien; an jedem Orte stellen sich Heldennamen, Heldenthaten ins Gedächtniß. Wir betreten in Utrecht die erste holländische Stadt und wir gedenken der ersten Siegesfrucht des Freiheitskampses, der sieben zur Union" zusammenstehenden Provinzen. Wir kommen nach Harlem, Leyden: Belagerungen, wie sie selbst die berühmtesten einer späteren Zeit nicht über­bieten können, voll fast übermenschlicher Großartigkeit, werden uns wieder lebendig. Aber freilich, auch der Schatten auf den Lichtbildern fehlt nicht. Wir sind in Delft: die Kugelspuren in der Mauer des Treppengangs im Prinzenhofe mahnen uns an die verruchte That, am edelsten Manne der Re­publik begangen, und so steigen auch aus jenen alten verwitterten Gebäuden am Vyver im Haag dem Binnen- und Britenhof blutige Schatten auf.

Es ist bekannt, wie der Rathspensionär Johann von Oldenvarneveld, der eigentliche Gründer der Republik und deren erster Beamter nach dem Statthalter, eben deshalb diesem, Moritz von Oranien, unbequem wurde. Die theologischen Händel und Zankereien zwischen Arminianern, zu denen Olden- barneveld gehörte, und Gomaristen gaben den Anlaß, jenen mit seinen Freunden Hugo Grotius und Hogerbeet während der Versammlung der Generalstaaten zu verhaften, die beiden letztgenannten nach Schloß Loevestein abzuführen, den 72 jährigen Oldenvarneveld aber durch einen mit aus seinen persönlichen Gegnern zusammengesetzten Gerichtshof,weil er das Band der vereinigten Niederlande zu lösen versucht und Gottes Kirche sehr betrübt habe", zum Tode zu verurtheilen. Auf einem im Binnenhose errichteten Schaffst wurde am 24. Mai 1619 der alte Mann enthauptet. Mit großer Ruhe und Fas­sung ging er zum Tode und redete noch auf dem Blutgerüste das Volk an: Glaubt nicht, daß ich ein Landesverräther sei. Ich habe aufrichtig und fromm als ein guter Patriot gehandelt und so will ich sterben." Und das Volk glaubte ihm, denn es sammelte sorgfältig jedes Sandkorn, das vom Blut des Unschuldigen geröthet war und bewahrte es als ein Heiligthum.*)

Nicht minder traurige, die Geschichte der Republik befleckende Erinnerungen knüpfen sich an den Britenhof. In seinem Thorthurm, der heut noch die

') Das correct historische Bild dieses Mannes und dieser Staatsaction ist in dem vorletzten Hefte der Sybel'schm Historischen Zeitschrift vortrefflich dargestellt. D. Red.