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Aus Schwaben.
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neuerdings unter dem Einfluß eines ihm sehr nahe stehenden preußischen Agrariers nach dieser Richtung hin Anknüpfungspunkte gesucht. Auffallend ist namentlich, wie man in diesem Augenblick von Stuttgart aus geflissentlich verbreitet, der Reichskanzler würde sich persönlich für das Reichseisenbahn- Project gar nicht interessiren, wenn er nicht unter dem Einflüsse gewisser Mit­glieder der nationalliberalen Partei stünde, welche bei der Realisirung desselben ihre persönlichen Bortheile verfolgen. Dieselben angegriffenen Personen, die­selben Insinuationen wie in der deutschen Eisenbahnzeitung und verwandten Blättern kehren hier wieder. Varnbüler freilich spricht sich in seiner Brochüre nur ganz verblümt aus, um so unverblümter dagegen reden im mündlichen Verkehr seine Freunde und Gesinnungsgenossen.

Die letzten Tage haben eine tiefe Kluft in unsererdeutschen Partei" zu Tage gefördert. Für den aufmerksamen Leser der Grenzboten konnte die Spaltung, welche jetzt glücklicherweise eingetreten ist, nicht unerwartet kommen. Die Grenzboten haben s. Z. geschildert, wie seit den Versailler Verträgen, und von dem Moment an, wo man sich in Stuttgart in Transactionen mit dem damaligen Ministerium einließ, die Zersetzung der Partei ihren Anfang nahm. Waren es in den Zeiten des Kampfes und der Verfolgung charakter­feste und unabhängige Männer gewesen, welche das nationale Banner ver­theidigten, so drängte sich seit dem Friedensschluß eine Menge abhängiger, jedenfalls nicht widerstandsfähiger Leute, namentlich aus den Beamtenkreisen Streber aller Art in den Kreis der Partei, welche nach wie vor alle natio­nalen Elemente vom Fortschritt bis zu den Freiconservativen zu vereinigen suchte. Von der eigentlichen Regierungspartei dem sogen, eisernen In­ventar aller auf einander folgenden Ministerien unter der Führung des Staatsraths Sarwey unterschieden sich diese neuen Elemente nur dadurch, daß es schien, als wollten sie ihre Dienste der Regierung noch werthvoller machen, als es die dem Ministerium schon unbedingt sicheren Regierungsmänner zu thun im Stande waren. Kein Wunder, daß die politische Thätigkeit der nationalen Partei seit mehreren Jahren gänzlich lahm gelegt war. Man vermochte nicht einmal ein Partetorgan aufrecht zu erhalten, um den von der demokratischen und ultramontanen Presse täglich unter dem Volk verbreiteten Unwahrheiten und Entstellungen entgegentreten zu können. Im Geiste ge­wisser Parteimitglieder sollte ja nichts geschrieben werden, was bei der Ne­gierung Anstoß erregen konnte. Seit zwei Jahren waren die energischeren Mitglieder der Partei, welche der Mehrzahl nach ihren Sitz außerhalb Stutt­garts haben, in wiederholten Versammlungen bemüht, eine Reform herbeizu­führen, aber ohne Erfolg. Die große Masse, namentlich des Bürgerthums war im Genuß der Errungenschaften der Jahre 1870/71 mehr und mehr apathisch geworden und das SchlagwortUnitarier" genügte den Männern