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Die Mafiusi : ein Beitrag zur Geschichte der geheimen Gesellschaften Italiens. II.
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grenzte und auf der andern das ausgedehnte Landgut eines ausländlichen regierenden Herzogs überblickte. Die Straße, die aus der Stadt nach ihr hin­führte, war einer von den gewöhnlichen vorstädtischen Wegen, die auf das offene Land hinauslaufen. Sie war auf beiden Seiten mit zwei- oder drei­stöckigen Häusern besetzt, die allesammt erst vor Kurzem erbaut waren, ausge­nommen einige alte Paläste, die meist im Erdgeschoß von Leuten niedern Standes, im ersten Stock von der Mittelklasse und in den sogenannten guarti nodili" von den vornehmeren Ständen bewohnt waren.

In Süditalien und besonders in Neapel und Sicilien wohnen alle die verschiedenen Stände nicht blos in derselben Straße, sondern auch in dem­selben Gebäude beisammen. Indeß sind sie so weit von einander getrennt, als ob sie in verschiedenen Häusern lebten; denn das niedere Volk betritt seine Wohnungen durch Thüren, die sich auf die Straße öffnen, die Bewohner des ersten Stockes gelangen in ihre Zimmer durch Seitenthüren und enge Trep­pen, der Besitzer des Hauses oder die Leute, welche das g^rto n«M1e wne haben, bedienen sich der großen Einfahrt und der prächtigen Marmortreppe in der Mitte. Der Hinterhof. die Ställe und Wagenremisen sowie der Gar­ten werden stets als zum quarto iwbils gehörig betrachtet.

Dieß ist ebenfalls ein Ueberrest des Mittelalters. In diesen Zeiten baute sich jeder Feudalbaron, jeder Bischof und jeder Abt eines Mönchsordens einen ungeheuren Palast, ein riesiges Kloster, in welchem er mit seiner Rit­terschaft, seinen Knappen, seiner bewaffneten Dienerschaft, kurz mit allen seinen Vasallen oder mit seinen Mönchen hauste. Es gab damals Barone in Sici­lien, welche aus ihren Stadtschlössern mit einem Gefolge von dreißig andern hohen Herren, fünfzig Rittern sammt deren Knappen und zweihundert Speer­trägern und Bogenschützen ausrücken konnten, die zusammen mit den zahl­reichen Dienern und den Mitgliedern von deren Familien ein förmliches kleines Volk in einem einzigen mächtigen Gebäude bildeten. Dasselbe könnte von den colossalen Abteien und Klöstern gesagt werden, von denen einige so ausge­dehnt sind, daß sie jetzt zwei Regimentern Infanterie gegen dreitausend Mann bequeme Unterkunft gewähren. Diese gewaltigen Gebäude waren von mächtigen Steinblöcken erbaut, die Jahrhunderten widerstanden haben und künftigen Jahrhunderten widerstehen werden. Als das Feudalwesen vor etwa sechzig oder siebzig Jahren abgeschafft wurde, verfielen diese stolzen Häuser alle, und der Adel mußte, unfähig seine bisherige Lebensweise fort- zusetzen, fein ungeheures Heer von Clienten, Vasallen und Dienstleuten ent­lassen und. indem er sich in die erwähnten yuarti uodili zurückzog, die andern Theile seiner riesenhaften Paläste vermtethen, die auf diese Weise zu Wohnungen und Quartieren der verschiedenen Klassen der Bevölkerung wurden.

Unsere Villa war jedoch von neuerem Ursprung und hatte keine andern