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Aus der Jugendzeit der deutschen Bühne :
(Briefe Gotter´s an W. H. v. Dalberg.)
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den Winter in Weimar Kontrakt hat, war schon nach Altenburg abgereist. Ab?r Neu mann*) hatte man zu einer Rolle verschrieben, und sonst war noch ein eigentlicher Handwerksgenoße dabey, Grave, jetzt als Sänger bey der Herzogin Mutter engagirt ein jämmerlicher Held, steif und kalt wie Eis."

Dieser Grave, den Gotter da er ihn selber steht so abscheulich findet, ist der nämliche, welchem er nach gerüchtweisen Versicherungen, ein so warmes Lob spendete!

Damit schließt unser, ohne Zweifel lückenhaftes Material. Gotter starb erst 1797, zu einer Zeit, als Dalberg die Mannheimer Bühne noch leitete; es ist also nicht abzusehen, weshalb beide Männer nicht noch längere Zeit hindurch Briefe gewechselt haben sollten.

Indessen auch schon das Wenige, welches wir geben konnten, dürste will­kommen sein, läßt es doch einen vertraulichen Einblick thun in Uterarische und theatralische Verhältnisse, wie dieselben vor hundert Jahren in Blüthe standen! Auf das Werden. Wachsen und den Charakter mancher merkwürdigen Per­sönlichkeit fällt neues Licht; das Ringen und Streben der Schauspielkunst, in deren erster Jugend tritt lebensvoll und farbenfrisch vor uns hin. Aber auch in die damalige moralische Verkommenheit des Schauspielerstandes werfen wir einen tiefen Blick. Beil ein wüthender Spieler, Jffland wird seine Schulden nicht los, Andere betrügen ihre Weiber, diese wiederum ihre Männer, kurz es ist eine bunte, tolle, verworrene Wirthschaft.

Heute darüber kann kein Streit sein findet man unter den deut­schen Schauspielern, wenn auch vielleicht weniger bedeutende Talente, so doch jedenfalls keinen so hohen Grad sittlicher Verderbtheit. Es mag daher gut sein, daß auch von dieser Seite her einmal die Hinfälligkeit der Redensart von derbesseren alten Zeit" bewiesen wird.

Die Mafiusi.

Ein Beitrag zur Geschichte der geheimen Gesellschaften Italiens.

II.

Ich hatte ein paar Jahre in offizieller Stellung in Sicilien gelebt." so erzählt unser Berichterstatter weiter,als ich es in Hinblick auf die Gesund­heit meiner Frau und meiner Kinder für rathsam hielt, die Stadt zu ver-

') Johann Christian Neumann, Mitglied der Vellomo'schen Gesellschaft. Er war der N<Uer jener Christiane Amalie Louise Neumann, die Goethe alsEuphrosine" besungen hat. Grenzboten II. 1870. 8