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und soll dasselbe mit der protestantischen Jugend in Bezug auf die Katholiken im Schulunterricht geschehen? Wohin gelangen wir dann? Ist es nicht vielmehr genug, daß jede Confession ihren Glauben werth halten lernt, ohne den andern als Teufelswerk anzusehen? Kann nicht jede Confession sich gewöhnen, den andern Glauben als ein natürliches, wenn auch dem eigenen Glauben nachstehendes Erzeugnis? der Geschichte zu betrachten? Ist das nicht völlig genug? — Die glorreiche Praxis der Hohenzollern, keinen andern Religionsunterricht in den Schulen zu dulden, als diesen auf Schmähung der Andersglaubenden verzichtenden, war aber durch die entweder aufgegebene oder mangelhaft geübte Staatsaufsicht verloren gegangen. Die jetzige Wiederherstellung dieser Praxis bildet den Gegenstand der Klagen des Centrums. Wenn die Redner der Partei auf den Gebrauch solcher Lehrbücher in evangelischen Schulen hinweisen, worin etwa die katholische Confession nicht mit der gebührenden Achtung behandelt werden könnte*), so ist ihnen Recht zu geben und der Klage abzuhelfen. Wenn aber Herr Windthorst (Meppen) unter dem Namen der Unterrichtsfreiheit das Recht der Confessionen fordert, die Jugend nach Belieben zu fanatifiren und ihr die historische Wahrheit zu verdunkeln, so läßt er den Pferdefuß doch gar zu deutlich sehen. Eine solche Unterrichtsfreiheit wäre der directe Weg zur Staatszerrüttung.
Auch am 14. März wurde derselbe Gegenstand weiter verhandelt. Die Beispiele, welche der Kultusminister über die Art des bisherigen Unterrichtes in manchen Schulen vorlegte, konnten nicht schlagender sein, um die Nothwendigkeit der jetzt wieder sorgfältig geübten Staatsaufsicht darzuthun. Der Abg. Windthorst nahm daraus Veranlassung, seine Forderung der sog. Unterrichtsfreiheit nochmals aufzustellen. Als jedoch der Abg. Lasker mit der glücklichen Schärfe, die ihm oftmals zu Gebote steht, die Unmöglichkeit dieser Forderung darlegte, unterbrachen die Reihen des Centrums den Redner mit der Behauptung, Herr Windthorst habe nur die Freiheit des Religionsunterrichts, nicht die schrankenlose Freiheit des Unterrichts überhaupt gefordert. Auch so eingeschränkt, geht die Forderung noch zu weit. Es darf überhaupt keinen öffentlichen Unterricht geben, in welchem Gegenstand immer, welcher der Staatsaufsicht entzogen ist, sonst kann mit dem Unterricht der gefährlichste Mißbrauch zum Schaden wehrloser, junger Gemüther bald unter diesem, bald unter jenem Deckmantel getrieben werden. Auch Herr Windthorst hat die Freiheit von der Staatsaufsicht gewiß nur für den Unterricht gefordert, den seine Kirche ertheilt. Als Privilegium aber, nicht als allgemeines Recht wird diese Freiheit an dem Tage ertheilt werden können, freilich niemals unwiderruflich, an welchem die Partei des Centrums ihre
") Die bis jetzt hierfür vom Centrum namhaft gemachten Bücher erweisen sich als höchst ungeeignete Beispiele. D. Red.