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Umkreise um die Stadt bei den Familienausflügen zu herrschen Pflegt. Aber Paris bleibt dahinter um gar nichts zurück. Mim wandere an einem schönen Sonntagsnachmittag durch die Wälder von Meudon, Sevres, St. Cloud: überall dieselben munteren Gruppen, dieselben harmlosen Spiele, ja sogar Lieder, die, wenn sie auch selbstverständlich nicht die unsrigen sind, doch dem „echten deutschen Volkslied?" wenigstens in der Melodie so ähnlich sehen, wie ein Ei dem andern. Ein höchst eigenthümlicher Unterschied springt dem beobachtenden Wanderer jedoch sofort ins Auge, die Thatsache nämlich, daß die Pariser Sonntagsausflügler eine ungemeine Vorliebe für Leetüre haben. Ueberall sieht man auf den Rasen hingestreckte Gestalten in irgend etwas Lesbares vertieft. Nicht selten begegnet man zahlreichen Familien, deren Angehörige jeder mit mindestens einem oder zwei Büchern bewaffnet sind. Namentlich die Damen, die alten wie die jungen, entwickeln einen erstaunlichen Eifer im Verschlingen der „geistigen Nahrung". Um den Werth dieser eigenthümlichen Sorte von Naturgenuß zu würdigen, müßte man vor Allem wissen, welcher Art die Lectüre ist. Da ich es nicht weiß, so enthalte ich mich jedes weiteren Urtheils und constatire nur, daß die Passion der jugendlichen Berlinerinnen bei den Sonntagsnachmtttagsausflügen darin besteht, ihre Talente in der Zubereitung des Mokkas zu zeigen, weshalb denn auch der Wanderer in der romantischen Umgegend unserer Reichshauptstadt jeden Augenblick der traulichen Inschrift begegnet: „Hier können Familien Kaffee kochen." Der Leser mag nun selbst entscheiden, ob er sich mehr für die Pariserinnen oder für die Berlinerinnen begeistern will.
Kus dem Maß.
Stadterweiterung. — Option.
Stadterweiterung und kein Ende! Das ist gegenwärtig die große locale, man möchte fast sagen, all-elsässische Tagesfrage. Reichstag, Bezirkstag, Presse, Clubs, Wirthshauspolitiker — Alles und Jedes spricht von der Stadterweiterung, nimmt Partei für oder gegen, lobt zum Theil die Maßnahmen der deutschen Verwaltung in dieser Hinsicht, verspricht sich Wunderdinge von der Verlegung der Festungswälle, prophezeit daraus dem Straßburger Handel und Wandel eine goldene Zukunft — und meint denn doch am Ende mit altkluger Miene: „Wenn's halt nur ntt so viel koschten that!" Das sind die spießbürgerlichen Philister, deren Straßburg ebenso zahlreiche und ebenso dickhäutige in seinen Mauern beherbergt, wie die weiland übrigen deutschen Reichsstädte. Das sind jene superklugen Leutchen, wie man sie allerorts findet, die wohl über die Maßen gern eine Vergrößerung und Verherrlichung ihrer vaterstädtischen Scholle durch öffentliche Bauten und Anlagen mannich- fachster Art sehen möchten, wenn nur ihr Geldbeutel dabei eventuell nicht in Mitleidenschaft gezogen würde. Bei den Straßburgern dieser Kategorie spielt allerdings im vorliegenden Falle selbstverständlich noch ein Factor mit, der dabei vernünftiger Weise eigentlich gar nichts zu sagen haben sollte, nämlich die Politik und immer wieder die leidige Politik d. h. wie jene Bier- Philister sie verstehen. Sie benutzen eben jede Gelegenheit, um zu Protestiren,