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Schon früher von ihrer Erscheinung vorübergehend bezaubert, lernt er sie, als sie jetzt mit ihrer Mutter, einer nach einer vornehmen Heirath für die Tochter herumspürenden Abenteurerin, sein Atelier besucht, näher kennen. Er modellirt Hre Büste und vertieft sich dabei immer mehr in ihre ungewöhnlichen Reize, die überdteß von Geist und Kenntnissen. Witz und starkem Willen begleitet sind. Er geht endlich ganz im Gedanken an sie auf und setzt, trotz aller Warnungen Mallet's, Ehre, Pflicht gegen seine Verlobte, seine künstlerischen Ziele, seine Rücksichten auf den Freund aus den Augen, nur um ihr zu leben Und sie zu gewinnen. Selbst die Ankunft seiner Mutter mit seiner Braut vermag ihn nicht von seiner Bethörung zu heilen, sie führt nur zu peinlichen Scenen. Christina hat zuerst blos mit ihm cockettirt, dann scheint sie etwas sür ihn zu empfinden, was aber nur ihre Abneigung vor gewöhnlichen Menschen und ihr Gefallen an der Thatsache sein kann, daß ein Genie um sie wirbt. Bald giebt sie ihm Hoffnung, bald erklärt sie Mallet, daß sie nur als Schwester mit Roderick zu leben wünsche. Dann entsagt sie ihm, um einen neapolitanischen Fürsten zu heirathen, den ihre Mutter ihr aufdringen will, und dann wendet sie sich plötzlich wieder von diesem ab und knüpft von Neuem mit Roderick an. der nun in Wonne schwimmt. Man erwartet, sie Werde sich von ihm entführen lassen, als sich plötzlich die Kunde verbreitet, daß die Unberechenbare den Fürsten, einen braven, aber unbedeutenden Herrn, dennoch geheirathet hat. Die Sache verhält sich wirklich so. Man hat sie Mit der Drohung gezwungen, bei weiterer Verweigerung ihres Jawortes dem Fürsten ein Geheimniß, nach welchem Christina nicht ehelich geboren, sondern die Frucht sträflichen Umgangs der Mutter mit ihrem alten und ziemlich schäbigen Cavaliere Servante ist, mitzutheilen und ihn so zu veranlassen, seinerseits zurückzutreten. Das hat ihre Selbstsucht nicht ertragen können, und sie hat ihre Liebe — wenn bei einem Mädchen, dessen Grundcharakterzug trotz Mancher edlen Regung doch immer eine dämonische Gefallsucht ist, von Liebe die Rede sein kann — ihrem Stolze geopfert.
Roderick ist außer sich, er ist als Mensch gebrochen und, wie es scheint, auch als Künstler zu nichts mehr fähig. Während er in den letzten Wochen vor der Katastrophe durch eine vortrefflich gelungene Büste seiner Mutter sein großes Talent noch einmal bethätigt und gezeigt hat, daß er als Realist gleich groß wie als Ideale verwirklichender Künstler ist, fühlt er sich jetzt leer und stumpf, und nur die Wuth über seine Enttäuschung spricht noch aus ihm. bis auch sie sich legt und nichts als ein dumpfes Brüten übrig bleibt, das mit rastlosem, zwecklosem Umherirren abwechselt. Mallet's Absicht mit ihm ist verfehlt, die Braut, eine edle, aber etwas phlegmatische und nüchterne Natur liebt ihn, ihrerseits im Stillen von Mallet geliebt, hoffnungslos fort, die Mutter ist geneigt, den Sohn nach Mutterart zu entschuldigen und Mallet Greiizbote» I. 187». 53