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Suworow´s Marsch durch die Schweiz im Jahre 1799. I.
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wird sagen, es kann ja keine so große Schwierigkeit sein, auf derselben mit einer Armee zu rnarschiren. Er hat vielleicht auch nicht so Unrecht, denn die heutige Straße ist 18 ^ Fuß breit, und die Steigung ist an keiner Stelle so bedeutend, daß man nicht in einem mäßig schweren Wagen stets im Trabe bleiben könnte. Damals existirte jedoch diese Verbindung Italiens mit der Schweiz noch nicht. Nur für zweirädrige Karren war der Weg bis Taverne geeignet, von da an war die Gotthardt-Straße ein durchschnittlich 11 Fuß breiter, nur für Maulthiere zu passtrender, schlecht unterhaltener Saumpfad. Vom Monte Cenere hinabsteigend, führt die Straße durch eine offne und flache Thalmulde in das Thal des Ticino und windet sich hier anfangs zwischen Weinbergen und Gärten fort. Die Abhänge der Berge zu beiden Seiten sind mit einer dichten Kultur bedeckt. Im Hintergrunde des Thals sieht man hinter malerisch gruppirten Vorbergen die schneebedeckten Gipfel der Hochalpen. Weiter aufwärts wird das Thal enger, das Grün ver­schwindet, Steintrümmerfelder, starre Felsenwände ragen in dasselbe hinein. Die Straße wechselt oft von einem Ufer des Flusses zum andern, bis endlich in der Nähe von Airolo das Thal seinen Hauptabschluß durch den St. Gotthardt findet, der es gleichsam wie mit einem mächtigen Riegel verschließt.

Am 21. Semptember marschirte die Avantgarde unter Fürst Bagration, gefolgt vom Corps Derselben von Taverne bis Bellinzona, den 22. bis Gior- nico. Die übrigen Truppen schlössen sich dem Corps Derfelden an. Das Wetter war der Fortbewegung der Truppenkörper im höchsten Grade hinder­lich. Es regnete in diesen Tagen unaufhörlich. eisige, heftige Winde wehten vom Gebirge. Da Alles natürlich btvouakirte, hatte man durch die kalte, feuchte Witterung viel zu leiden. Um 4 Uhr Morgens traten stets, nach alt hergebrachter Gewohnheit Suworow's, sämmtliche Truppen ihren Marsch an. Der Feldmarschall ritt auf einem kleinen zottigen unschönen Kosacken- pferde in seiner gewöhnlichen leichten Kleidung. Sein ganzer Anzug bestand aus einem weißen wollenen Hemde, weißen leinenen Beinkleidern; leinene Socken und Halbstiefel schützten die Füße; über die Schultern war ein dünner alter ungefütterter Mantel geworfen; auf dem Kopfe saß ein runder schwarzer Filzhut mit breitem Rande, unter dem das weiße Haar hervorflatterte. Ueber der zügelführenden linken Faust hing nach russischer Sitte eine Knute. Uni­form zog Suworow nur bei feierlicher Gelegenheit an.

Am 23. rückte die Armee bis Dazio vor. Der Feldmarschall mußte mit dem Marsche der linken Colonne etwas einhalten, um Rosenberg Zeit zu seiner Umgehung zu lassen. Letzterer hatte einen viel weiteren und noch be­schwerlicheren Weg als die Hauptcolonne. Der ganz schmale Saumpfad durch das Blegnothal war in Folge des fortwährend herabströmenden Regens und der rapiden Steilheit kaum zu Passiren und jeder Schritt mußte zum