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Deutscher Volkshumor.
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stehen unsern Vätern zu allen Zeiten fast ebensoviel werth gewesen ist wie ein gut Stück Arbeit liefern und beurtheilen können.

Nicht wenige Anzeichen geben Zeugniß, daß der Humor so alt wie unser Volk ist. und daß auf der Methbank der deutschen Heidenwelt neben dem fahrenden Sänger mit seinen Heldenliedern auch der Narr seine Stelle hatte, der den Gästen ihren Trunk mit Schwänken, Neckereien, Sprüchen der Thoren­weisheit und komischen Räthseln würzte. Manche von den Streichen, die in den letzten Jahrhunderten demdummen" Teufel gespielt worden sein sollten, wurden ohne Zweifel schon von einem der alten Götter erzählt, und wenig­stens von einer der Geschichten, welche das Buch von den sieben Schwaben bilden, ist nachzuweisen, daß mit ihr bereits ein deutscher Stamm gefoppt Wurde, der in der Völkerwanderung eine Rolle spielte: schon die Heruler hat­ten, wie Jornandes berichtet, ein blaublühendes Leinfeld für Wasser ge­halten.

Dieses Wohlgefallen an der komischen Seite der Dinge, diese Neigung, die Welt auf den Kopf zu stellen, den Ernst zum Narren zu haben, das Große klein und das Kleine groß zu machen und selbst am Heiligen und Er­habnen die Achillesferse zu suchen, wo die Waffe des Spottes haftet, dieser Trieb zu lustigem Fabuliren war ein Erbe, das den Deutschen die Jahrhun­derte hindurch erhalten blieb und sich mit Zins und Zinseszinsen mehrte, bis es gegen das Ende des Mtttelalters zu einem Reichthum an närrischen Bräu­chen und Sitten, Geschichten, Liedern, Sprüchen und Namen angeschwollen war, wie er keins der Nachbarvölker erfreute. Die Reformation that ihm keinen Eintrag, Selbst aus den Blutwellen des dreißigjährigen Krieges tauchte der deutsche Schalk, wenn auch etwas beschädigt, wieder auf, und daß er noch heute lebt, können wir in jedem Rathskeller und jeder Dorf­schenke, aus jedem Kalender und namentlich auch an der Theilnahme sehen, die unsern humoristischen Blättern allenthalben entgegengetragen wird.

Das goldne Zeitalter des deutschen Volkshumors begann mit der vollen Reife des Bürgerthums im vierzehnten Jahrhundert und entwickelte in diesem und dem nächstfolgenden sich zu reichster Blüthe. Die Narrheit drang in alle Stände ein. sie wurde in förmlichen Gilden gepflegt, sie setzte sich neben den Fürsten als lustiger Rath, und nicht blos die Zechstube und der Jahrmarkt ergötzte sich an ihren derben Späßen, selbst der Altar mußte sie dulden, und sogar aus der Predigt heraus schnitt sie der andächtigen Gemeinde ihre Ge­sichter. Possen und Schnurren gingen von Mund zu Mund, das Hänseln, Foppen und Schrauben florirte, wo man ging und stand, Sprüchwörter be­kamen Anhängsel, die ihren Sinn verkehrten, die Sildenstecherei wurde wie eine Kunst betrieben, eine Fülle der tollsten Trinklieder ergoß sich über das Volk. Der Geist Eulenspiegel's ruhte auf diesem Geschlechte, die verkehrte