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Ein Messias der Juden.
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große Festlichkeiten. Um eine Borstellung von der Pracht derselben zu er- möglichen, erwähnt mein Gewährsmann nur, daß zweihundert Chassidim, in Kosaken verkleidet, dem Bräutigam mehre Meilen entgegenritten, und daß ein Frommer aus Volhynien oder Podoline zehntausend Rubel für die Ehre zahlte, beim Hochzeitsschmause den Aufwärter machen zu dürfen.Und die Speisen trug der Pfalzgraf des Rheins."

Die große Mehrzahl derer, die an unsern so jämmerlich gefallnen Messias geglaubt hatten, ermangelten der zähen Zuversicht der Uebrigen. Sie schlugen sich vor den Kopf, rauften sich den Bart, trauerten eine Weile in Sack und Asche aus den Trümmern ihres Vermögens und standen dann auf, um wieder Geschäfte und Geschäftchen zu machen.

Es giebt, glaub' ich. auch Leute nicht orientalischen Geblütes, die lebhast bedauern werden, daß Sabbathaj Zevi's Unternehmen nicht geglückt ist. Ich höre sie sagen, wenn der gute Mann sein Volk dort um Jerusalem gesammelt und für immer festgehalten hätte, so würden wir Deutschen zwar gewisse Stimulanzen entbehren, aber auch vor gewissen unerfreulichen Einflüssen be­wahrt geblieben sein, die namentlich in der neuesten Zeit sich mit jedem Jahre fühlbarer machten. Ich selbst werde mich hüten, meine Meinung über solche Stimmen laut werden zu lassen. Ich begnüge mich, nach guten Nachrichten von dem neuesten Messias in Hadramaut auszuschauen und sein Unternehmen in mein Abendgebet einzuschließen. Vivat, üvrög.t, ereseat!

Ueber die ungeheuerlichen Thorheiten aber, die ich in der Geschichte des Messias von 1666 mit ihrem kläglichen Ende geschildert, wollen wir uns nicht allzusehr wundern und ereifern. Es ist wahr, dieses Ende ist ungemein erbärmlich, aber in Betreff des Anfangs und des ihm zunächst Folgenden haben wir vor unserer eignen Thür zu kehren. Was die Juden waren oder sind, die auf ein mehr oder minder nahes Erscheinen des Meschiach hofften oder noch hoffen, das sind die zahlreichen christlichen Secten, die einer mehr oder minder entfernten Wiederkunft Christi entgegensehen. Dem Messiasglauben der Talmudjünger und Kabbalaverehrer stehen die Phantasien der chiliasti- schen Propheten uud Bekenntnisse innerhalb der Christenheil ebenbürtig zur Seite. Die Wiedertäufer von Münster waren schlimmer als die Sabbathianer von Smyrna. Die amerikanischen Milleriten der vierziger Jahre unseres- culums verkauften und vergeudeten in Erwartung des tausendjährigen Reiches ihr Hab und Gut ganz ebenso leichtsinnig, wie die Sephardim des siebzehnten Jahrhunderts das ihre in Erwartung des Messiasreiches verkauften und ver­geudeten. Noch in unsern Tagen gab es im Bereiche des Christenthums und der deutschen und englischen Nation Seitenstücke zu den jüdischen Thorheiten von 1666.