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Schriftstücke, welche der Herausgeber hier mit gewohntem Tact und Geschmack trotz ihrer disparaten Beziehungen zu einem abgerundeten und anmuthigen Buche gestaltet hat. gehören zum größten Theile zu der Correspondenz des bekannten Weimariscben Ministers Jakob Friedrich von Fritsch mit der Herzogin Anna Amalia und dem Herzog Karl August, welcher so glücklich war, im Jahre 1870 auf dem Familiengute der Fritschs, Goddula bei Merseburg, wieder aufzufinden.
Die Aufschlüsse, welche diese Correspondenz gewährt, kommen den mannich- fachsten Verhältnissen zu Gute, und so hat der Herausgeber, nachdem er eine Einleitung vorausgeschickt, in welcher er uns zunächst mit Fritsch's Persönlichkeit und Lebensgang bekannt macht, seinen Stoff im wesentlichen in sieben Capitel getheilt. Das'erste Capitel bringt interessante Actenstücke, die sich auf den Negentschaftsantritt Amalia's beziehen. Im zweiten Capitel werden die Schriftstücke veröffentlicht, die zwischen Amalia und Wieland, sowie zwischen dem Weimarer Hofe und dem Kurfürsten Joseph Emmerich von Mainz gewechselt worden sind, um Wieland als Erzieher Carl August's von Erfurt nach Weimar zu ziehen. In die mancherlei Verstimmungen, zu welchen dies Erziehungsgeschäft bald darauf führte, und welche die Herzogin zu dem Entschlüsse brachten, die Regentschaft ein Jahr vor der festgesetzten Zeit niederzulegen, erhalten wir Einblick durch die im dritten Abschnitt abgedruckte Correspondenz zwischen Amalia und Fritsch, deren Resultat glücklicher Weise war, daß die Herzogin ihren Entschluß wieder fallen ließ. Das folgende Capitel schildert die'einleitenden Schritte Fritsch's, um die Anstellung Knebel's als Erzieher des Prinzen Constantin durchzusetzen, und die mannichfachen Hemmnisse und Widerwärtigkeiten, die sich dieser Berufung anfangs entgegenstellten. Die Versuche Fritsch's, Carl August die Anstellung Goethe's in Weimar auszureden» eventuell seine eigne Entlassung zu nehmen, sind im fünften Abschnitte dargestellt, bei welcher Gelegenheit auch der herrliche Brief des Herzogs, in welchem er sich mit so liebenswürdigem Eifer des Dichters annimmt, und dessen charakteristischster Passus früher'schon oft abgedruckt worden ist, zum ersten Male vollständig und im richtigen Zusammenhange der Thatsachen mitgetheilt wird. Der glückliche Ausgleich, zu dem es sehr bald'darauf kam, Fritsch's weitere Amtsführung, die projectirte, aber nicht zur Ausführung gekommene Anstellung von Goethe's Schwager Schlosser in Weimar und das immer erfreulicher sich gestaltende Verhältniß Goethe's zu Fritsch bilden den Inhalt der beiden letzten Capitel. Eine hübsche Zugabe ist endlich der Abdruck eines Theiles der Lebenserinnerungen der Gräfin Henriette von Egloff- stein (1' 92 jährig im Jahre 1864). der sich auf das Leben und Treiben in der Umgebung Amalia's in Tiefurt bezieht.
Die publicirten Schriftstücke enthalten ausnahmslos nicht blos die werthvollsten. sondern auch für alle Betheiligten — mit Ausnahme Wieland's. Schlosser's und des Grafen von Görz — ehrenvollsten Beiträge zu deren Charakteristik. Namentlich in Fritsch lernen wir. trotz seiner vorübergehenden und von seinem Standpunkte aus ja sehr erklärlichen Abneigung gegen den jungen Goethe, einen klarblickenden Geist, einen ebenso gewissenhaften wie freimüthigen fürstlichen Berather und den edelsten und uneigennützigsten Charakter kennen — das unverkennbare Borbild Antonio's im „Tasso."'
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Verantwortlicher Redakteur: Nr. HanS Blnm in Leipzig. Verlag v>,m F. L- Herliij, in Leipzig- — Druck vvn Hiithel <K Hcrimann in Leipzig.