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Me Aufgabe der religiösen Kunst im Kulturkampfe
unserer Zeit.
Wie Vielen wohl ist der Gedanke schon aufgestiegen, welche Rolle die Kunst beim Gottesdienste ausübt? Ich glaube nur Wenigen. Denn die große Masse genießt aus Gewohnheit und erkennt erst den Werth, wenn sie entbehren soll. Schickt die Katholiken in solche evangelische Kirchen, wo fast jeder Zierrath fehlt und die absolute Nüchternheit herrscht, so erkennen sie leicht, daß der katholische Cultus Schätze der Kunst besitzt, die zum Herzen sprechen, während der evangelische Cultus hauptsächlich auf die Rednergabe des Predigers und aus den Gesang der Gemeinde angewiesen ist. Freilich, wenn umgekehrt der Evangelische in eine katholische Jesuitenkirche kommt und dort die trivialste Darstellung der Heiligen und nur vergoldeten Prunk findet und die Kirchenfürsten erblickt mit gold- und silbergestickten' Gewändern, welche mit Heiligenbildern überladen sind, so lächelt er ob dieses faschingartigen Götzendienstes und ist froh, daß er den Spruch befolgt: „Du sollst Gott im Geiste und in der Wahrheit anbeten." Kommt dagegen selbst der nüchternste Evangelische in den Kölner-Dom, oder in das Pantheon Roms, so gesteht er gern, daß eine solche Gewalt der Kunst in diesen Hallen herrscht, daß auch das ungläubigste und verhärtetste Gemüth tief empfindet, in einem Gotteshause sich zu befinden, wo die Steine reden und ihren Schöpfer preisen. Das ist der Zauber der Kunst!
Heute bewegen wir uns noch in den Extremen. Der Evangelische fürchtet den Aberglauben, der nur zu gern sich an die Bildwerke anhängt, und der Katholik fürchtet die Armuth und Nüchternheit, wenn er mit den überlieferten Cultusformen, die ja aus der heiligen Urzeit der Völker stammen, bricht- Liegt da das Richtige nicht in der Mitte? Können die Katholiken nicht den übertriebenen Würden- und Heiligencultus opfern und können die Evangelischen nicht zu den gereinigten Symbolen der christlichen Kunst zurückkehren? Einsichtsvolle evangelische Prediger und katholische Geistliche bejahen diese Frage. Wollen wir jedoch auf der goldenen Mittelstraße uns vereinigen, ist zunächst von beiden Seiten die Erkenntniß nothwendig, um was es sich handelt? Einige Definitionen kann ich daher mir nicht ersparen, die für die Richtigstellung und Lösung der Frage unentbehrlich sind. Keine Frage lautet wohl einfacher und wird weniger verstanden und verschiedener beantwortet als folgende: „Was ist Kunst?" Man verwechselt mit dem Wesen der Kunst die Geschicklichkeit und das Kunststück. Kunst kommt zwar vom Zeitwort „Können", ist aber doch unendlich viel mehr, als die Mache, denn sie ist die Versinnbildlichung oder Darstellung unserer Empfindungen. Ich