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Die General-Versammlung der Evangelischen Allianz in New-York im Jahre 1873.
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Noch in einer andern Hinsicht nimmt die evangelische Allianz unser Interesse in Anspruch. Sie ist eine internationale Bereinigung und entspricht so dem wesentlichen Interesse des Christenthums. Will dasselbe auch nicht das nationale Regiment negiren, vielmehr befreien, durchdringen und erklären, so ist es doch seinem innersten Wesen nach allgemein human und eben deshalb die Macht, welche die Nationen verbindet und den in ihnen waltenden egoistischen und deshalb zu Zusammenstößen und Feindschaften treibenden Tendenzen beschränkend entgegenwirkt. Und dieses Prinzip des Christenthums ist es, welches ebenfalls die evangelische Alltanz zur Geltung zu bringen sucht.

Bis dahin hatte sie nun ihre General-Versammlungen ausschließlich in Europa gehalten, Amerika war noch nicht gewählt worden, obwohl die Fülle evangelischer Gemeinschaften, die sich dort zusammengefunden haben, den Be­strebungen der Allianz einen besonderen Reiz bietet, bis es endlich gelang im Herbst vor zwei Jahren nach New-Uork eine Generalversammlung zu berufen. Sie tagte vom 2. bis 10. Oktober 1873. Und der Verfasser vorliegender Schrift giebt uns einen ausführlichen und anschaulichen Bericht der Verhand­lungen. Er verschweigt uns die Schwächen derselben nicht, die Ueberfülle der Reden, die überschwänglichen Hoffnungen und Erwartungen, welche die Redner an die Versammlung knüpften, die Neigung, dem Effekt mehr Raum als nöthig zu gewähren. Aber trotz alledem war die General-Versammlung der Allianz in New-Uork eine bedeutungsvolle Erscheinung, ein Zeichen, welche Macht und Anziehungskraft der positive Protestantismus in Amerika ausübt. Es ist nun nicht unsre Absicht, auf die Verhandlungen der Versammlung näher einzugehen, könnten wir ja doch nur die Leser mit einer erdrückenden Fülle von Vortragsthematen und Rednernamen, deren größter Theil nur in engeren Kreisen bekannt ist, ermüden. Wir richten ihre Aufmerksamkeit viel­mehr auf die anziehenden Schilderungen Amerikas und amerikanischen Lebens, welche den bei weitem größten Theil unsrer Schrift ausmachen. Wir haben sie mit hohem Interesse gelesen und können sie unsern Lesern nur warm em­pfehlen. Der Verfasser schreibt schlicht, einfach, kunstlos, ohne Berechnung und Absicht. Wir hören nur Naturtöne. Harmlos und unbefangen sieht er und hört er. Eine innige evangelische Frömmigkeit, die dem Pietismus ab­hold, sich an allem freut, was der Freude werth ist, und die Schattenseiten des Beobachteten lieber leichtem Humor als ätzender Satyre unterwirft, durch­zieht das Ganze. Es macht den Eindruck, als sei es aus Briefen des Ver­fassers an die Seinigen in die Heimath oder aus Tagebüchern entstanden. Man begleitet den Verfasser von Tag zu Tag, von Ort zu Ort und hört, was er wahrgenommen, gethan und erfahren hat. Es ist eine angenehme Lectüre, mehr unterhaltend, als belehrend, der man gern Gehör schenkt. Ein harmonischer, friedlicher und versöhnender Geist weht durch die Darstellung.