Contribution 
Heinrich Kruse´s "Brutus".
Page
244
Turn right 90°Turn left 90°
  
  
  
  
  
 
Download single image
 

Z44

größte Frage an. welche die Weltgeschichte an entscheidenden Wendepunkten stellt: wie hätte sich die Entwickelung des Menschengeschlechtes gestaltet, wenn er auch nur einen dieser Plane, vor Allem die Unterwerfung Germaniens vollbracht hätte? Ferner zeigt auch die geschichtliche Entwickelung der That­sachen das öffentliche Pflichtgefühl und das politische Verständniß der Römer in allen Classen nach der Ermordung Caesar's in einem so traurigen Lichte, daß die historisch beglaubigte Meinung des Brutus, durch die Wegräumung Caesar's werde die alte biedere Republik erblühen, beinahe als unbegreifliche Thorheit erscheint. Namentlich ist das stupide Verhalten des Plebs nach der Mordthat in keiner Weise eorrigirt worden durch die besseren Gesellschafts­schichten, welche Caesar auch den Schein der Herrschaft so grimmig verübelten. Der Senat und die Optimaten übertrafen womöglich noch das Volk an seiger Unthätigkeit. Sie flohen in wilder Bestürzung. Später setzen sie die Phrase und Rede an Stelle der That. Und dieselbe rathlose Unentschlossen- heit zeigt das Verhalten der Verschworenen selbst. Sie lassen den Antonius sich der Staatskasse und aller Papiere des Todten bemächtigen und das Volk gegen die Mörder Caesar's aufreizen. Sie sehen dem Bruche des Antonius mit der Staatspartei, die erst in der Mitte des Jahres eintritt und dem mu- tinensischen Kriege zu und lassen den Triumvirn Zeit, alle Schwierigkeiten einer gemeinsamen Vereinigung zu überwinden und ihre Heere den Ver­schworenen entgegenzustellen. Dieser Zeitraum, vom Tode des Caesar bis zur Schlacht von Philippi, den der Dramatiker aus wenige Scenen zusammen­drängen muß, höchstens durch das Fallen des Vorhangs als einen längeren anzudeuten vermag, dehnt sich in Wirklichkeit auf zwei und ein halbes Jahr aus, und umfaßt die widerwärtigsten Züge und Thaten, deren der römische Volksgeist bis dahin sich fähig gezeigt hatte. Namentlich jene scheußlichen Proseriptionen, bei denen taufende hervorragender Männer, das ganze vor­nehmere Rom der Republik mit kalter Grausamkeit hingeschlachtet wurde keiner der Geächteten vor dem Verrath seiner Familie sicher war; wo mit Wollust und grundsätzlich, für Geld und Gut, und viele Monate hindurch, gemordet wurde. Sulla hatte doch wenigstens in der Hitze der ersten Leiden­schaft und zur Revanche für die blutigen Opfer der eigenen Partei, endlich um jede neue Erhebung durch Schrecken niederzuschlagen, gemordet. Keines dieser Motive stand den Triumvirn zur Seite. Und auch diese Gräuel muß­ten Brutus und Cassius gelassen von ihren östlichen Provinzen aus mit an­sehen und über Italien ergehen lassen. Wahrlich, die tragische Nemesis ist selten Jemandem so klar vor Augen getreten, wie ihnen.

Und was macht nun Shakespeare aus diesem tragischen Stoffe, mit dieser tragischen Idee? Caesar ist die personisieirte Hybris, Brutus die personificirte Tugend und Freiheitsliebe, Cassius die verkörperte Unzufriedenheit, Antonius