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Die bildende Kunst unter Hadrian.
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Z)ie bildende Kunst unter Kadricm.

Unter den römischen Portraits fällt besonders eines auf durch die geheimnißvolle, zugleich anziehende und abstoßende Wirkung der Züge, welche den Charakter der Person nicht verrathen wollen. Auf der durch das lange Haupthaar tief beschatteten Stirn lagert Ernst; Selbstlosigkeit scheint der un­ordentliche, ungepflegte Bart anzukündigen; selbstgefällig und lauernd zugleich blickt das Auge; Grausamkeit und Spott wechseln um den halbgekniffnen Mund. Ueber das ganze Gesicht geht ein Anflug von Freundlichkeit, und im nächsten Augenblick zuckt die Ironie durch dasselbe.

Und wie die Miene, so der Mann. Begeistert für Großes und Schönes und doch kleinlich, grillenhaft; uneigennützig, freigebig bis zur Verschwen­dung und doch rachsüchtig und grausam; ein Förderer von Talenten und doch eifersüchtig weit über die Gränzen der Ehrliebe hinaus. Mäßig im Genuß und doch äußerst reizbar; leutselig und liebenswürdig und doch eigensinnig und finster, ein eifriger Verehrer der Götter und doch nichts weniger als gläubig; aufgeklärter Philosoph und doch abergläubisch, der Magie und Astrologie ergeben. Begeistert für Alterthum, selbst Gelehrter und Schriftsteller und doch Verächter der Gelehrsamkeit. Ein Dichter ohne poetische Anlage; dazu Architekt und Musiker. Maler und Stratege, Bildhauer und Regent. Dieser Träger von Gegensätzen und Widersprüchen ist Kaiser Hadrian.

Keinem der Cäsaren, welche vor ihm regierten, ähnlich, war er am meisten verschieden von seinem unmittelbaren Vorgänger, dem er seine Erhebung auf den Thron zu verdanken hatte, von seinem Adoptivvater Trajan. Suchte dieser nationalste aller Kaiser vor allem die alt römischen Tugenden, Tapfer­keit und Sittenstrenge, auch an sich zur Geltung zu bringen, so war Hadrian in seinen Neigungen dem Griechenthum zugewandt. Hatte dieser das Hauptziel seines Lebens in der Ausbreitung des römischen Reiches durch das Schwert und durch Staatsklugheit gefunden und fast ausschließlich militärischen Ruhm erlangt, so verzichtete Hadrian frühzeitig auf diesen und suchte seine Lorbeeren auf einem Gebiete, welchem er mehr gewachsen zu sein glaubte, auf dem Gebiet des geistigen Lebens.

Gvenzbotm I. 1K75. 21