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Briefe aus der Kaiserstadt.
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wird dasselbe mit der dem Friedrich-Wilhelmstädtischen Theater in dieser Beziehung eigenen Verve.

Das Residenztheater hat in letzter Zeit rasch hintereinander zwei neue französische Sensationsdramen zu Grabe getragen; das Stadttheater hat ihm mit einer eben solchen Bestattung seeundirt. Sollte endlich beim Publikum eine Geschmacksbesserung eingetreten sein? Auf der ersteren der eben ge­nannten Bühnen war im December die Stuttgarter Tragödin Frau Eleonore Wahlmann zu einem Gastspielcyklus eingetroffen. Die Künstlerin ist unter der Ungunst verschiedener Umstände nicht zur vollen Geltung gekommen, wäh­rend sie es so sehr verdient hätte. Sie vertritt die idealistische Auffassung in der Tragödie; Wohlklang der Stimme und schöne Erscheinung erhöhen noch den Eindruck ihrer mit feinem Verständniß geschaffenen und höchst stylvoll ausgeführten Gestalten. Die höchsten Höhen des tragischen Affects sind ihr freilich versagt. So bei ihrer Darstellung der Medea. Welch' andere, Mark und Bein erschütternde Leidenschaft zeigt uns da unsere Mathilde Venata! Nur schade, daß es derselben so schwer wird, in dem von ihr geleiteten Stadttheater sich für ihre Tragödien endlich ein erträgliches Ensemble zu schaffen! ___/.X-

L M'on. Morwaldsen.

An Büchern, welche uns das Leben und die Werke des großen, däni­schen Bildhauers Thorwaldsen schildern, fehlt es nicht. (Siehe die Notiz auf Seite 143 von Reber's Geschichte der neuern deutschen Kunst.) Am ein­gehendsten und fast erschöpfend hat darüber Thiele, Sekretair der Königl. Akademie der Künste zu Kopenhagen, Thorwaldsen's Freund, der ihm in seinen letzten Jahren vielfach zur Seite gestanden und auch seinen ganzen Nachlaß geordnet hat, unter Benutzung sehr zahlreicher, vollkommen zuver­lässiger Hülfsmittel, gehandelt. Aus Thiele's Werken haben dann fast alle Andern, besonders auch diejenigen, welche die gesammte neuere Kunst ge­schildert haben, geschöpft. Aber es fehlte bisher an einem Buche, welches auf der Kenntniß dessen, was Thiele u. A. mitgetheilt haben und auf dem gründlichen Studium der Werke des großen Künstlers fußend. Thorwaldsen's Leben und Werke in künstlerischer Abrundung darstellt. Und solch ein Buch hat uns der Franzose Eugene Plon geliefert.

Wohl Mancher dürfte, der bekannten Leichtfertigkeit der Franzosen ge­denkend, an dieses Buch mit Mißtrauen heran treten. Bei genauerem Ein­gehen in dasselbe wird er jedoch zu seiner Freude bemerken, daß es keineswegs leichtfertig oder oberflächlich gearbeitet ist, sondern daß der kenntnißreiche Ver­fasser den großen Künstler und seine vielen Werke erst gründlich und allseitig studirt hat, daß er seinen Spuren in Rom, Kopenhagen und Deutschland mit Pietät nachgegangen ist, von den noch lebenden Freunden Thorwaldsen's manches Wichtige und Interessante erfahren, sich dadurch ein vollständiges und vollkommenes, klares Bild von dem Leben und Charakter des Menschen und der Art seiner Kunst verschafft und beides dann mit großem Geschick in einer höchst anziehenden Form dargestellt hat. Er schildert die Jugend und