51V
zichtigen durfte, ohne den mindesten sachlichen Grund anzugeben. Sind das die Rechte der Vertheidigung? Dann sind wir ja wohl nächstens in Amerika, wo jeder ehrenhafte Mensch um jeden Preis die Berührung mit den Gerichten meidet, um nicht unter der burlesken Impertinenz der Parteivertreter zu leiden; wo er sich lieber mit den Verbrechern abfindet, um nur nicht in Berührung zu kommen mit den Advokaten.
Nach der formellen Haltung der Verhandlungen fassen wir zunächst einige allgemeine materielle Momente der Vertheidigung ins Auge. Da wir die Berührung mit der Aufgabe des Richters meiden, lassen wir die Frage nach dem Verhältniß zu dem bestehenden Recht bei Seite. Es kommen aber in jedem Prozeß, und in diesem ganz besonders, zahlreiche Dinge vor, welche nicht nach juristischen, sondern nach den Begriffen des Lebens und der herrschenden Cultur zu beurtheilen sind, oder auch nach den technischen Begriffen anderer Berufe. Der erste Vertheidiger war es, der mit einem solchen Kreis von Begriffen sich ganz besonders zu thun machte, nämlich mit der Technik des diplomatischen Dienstes. Er that es mit einer Selbstzufriedenheit und einer zur Schau getragenen Ueberlegenheit, die einen überwältigenden Contrast bilden gegen eine Logik, die an Abraham a Saneta Clara erinnert. Diplomatische Aktenstücke sind nämlich, so wurde ausgeführt, keine Rechtsurkunden, weil sie historische Urkunden sind! Wir bemerken, daß, wenn dieser haarsträubende Schluß nicht dem Vertheidiger angehören, sondern der nothgedrungen mehr oder minder flüchtigen Berichterstattung zur Last fallen sollte, es doch jedenfalls unbegreiflich bleibt, was die breite Auslassung über die historische Urkunde sollte, wenn sie nicht etwa ein bloßes Mittel zur selbstgefälligen Ausstellung trivialer Weisheit war. Für die Kreise der Bildung giebt es wohl nichts Einfacheres als den Unterschied dieser beiden Begriffe. Eine historische Urkunde ist jedes schriftliche und im weitesten Sinn jedes gegenständliche Erkenntnißmittel für den Gang der Begebenheiten und für den Stand der Cultur in einer Epoche. Will man den Begriff der Rechtsurkunde abgrenzen, so hat man nicht nöthig, bis an die äußersten Grenzen des Sprachgebrauchs zu gehen, bis zu welchen derselbe die Anwendung des Wortes Urkunde erstreckt. Eine Rechtsurkunde ist im engen Sinn das formelle Zeugniß für das Ganze oder den Theil eines Rechtsaktes. Wie weit dieser Begriff im juristischen Sinn ausgedehnt werden muß, darüber gehen die wissenschaftlichen Ansichten ja auseinander, und ob Erlasse und Berichte des diplomatischen Dienstes unter den juristisch-technischen Begriff der Urkunde zu befassen sind, darauf wollen wir, den selbstgesteckten Grenzen gemäß, nicht eingehen. Im Sinne des gebildeten Sprachgebrauchs sind sie es aber, wie wir sogleich nachweisen wollen. Denn wenn zur Urkunde im engsten Sinn ein Schriftstück nur werden kann durch die Tendenz der Ausfertigung, so kommt dieser Begriff