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Wilhelm Roscher´s Geschichte der National-Oekonomik in Deutschland.
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heimnißvollen Fäden, welche eine der hier entwickelten nationalökonomischen Theorien und Ideen an die andere knüpfen, eine Wirthschaftsepoche an die andere. Das heißt mit anderen Worten: der Verfasser mußte die gesammte Entwickelung des ökonomischen Wissens und Strebens vom Ausgange des Mittelalters bis auf unsere Tage, in ihren größten und kleinsten Vertretern mit beherrschendem Blicke umfassen, ehe er an diese Aufgabe ging, und das vorliegende Werk zeigt, daß er diese ungewöhnlichen Bedingungen in sich vereinigte. Darum ist dieses Buch auch im Grunde ein weit größerer Schatz für unsere Nationalliteratur, als der bescheidene Titel und der bescheidene Verfasser verrathen mögen. Jeder, der die Wichtigkeit der Volkswirthschaft für das nationale Volksleben überhaupt erkennt, jeder der weiß, wie in Wirklichkeit keine andere Function des Völkerlebens so sehr international angelegt ist, so sehr Einwirkungen von außerhalb der Landesgrenzen unter­worfen und zu solchen über die Volksgrenzen hinaus fähig ist, als die Theorie und praktische Entwickelung der Staatswirthschaft der wird auch erkennen, daß in diesem Werke nicht blos für unser Volk, sondern für alle Völker, die mit uns seit Ausgang des Mittelälters geistig und wirthschaftlich im Verkehr gestanden das will sagen so gut wie für die ganze Menschheit sowohl in historischer als in nationalökonomischer Hinsicht ein ungewöhnlich bedeut­samer Erfolg errungen ist.

In unserer gelehrten Literatur läßt sich das neueste Werk Noscher's wohl nur einem andern ganz vergleichen an ebenbürtigem Werthe: Robert von Mohl's Geschichte und Literatur der Staatswissenschaften. Weiter ist in diesem der historische Rahmen gespannt, als bei Röscher. Ins unendliche scheint der Blick Mohl's zu schweifen unter den Völkern der Erde. Und dennoch, wer in Kürze Rechenschaft geben sollte von dem Inhalt des köstlichen Buches, der würde wohl nicht fehl gehen, wenn er sagte: er habe daraus Fingerzeige er­halten für die wunderbaren Accorde, welche zu harmonischer Stimmung die Kulturstaaten Europas bewegten seit Luther's und Machiavelli's Tagen bis in unsere Zeit. Auch bei Mohl bietet den höchsten Werth die durch seine um­fassende Forschung vermittelte Erkenntniß, wie die vornehmsten politischen Denker Europas befruchtend auf einander wirkten, wie sie immer reiner und untadeliger die Rechte und Pflichten des modernen Staates construiren und wie bedeutsam vor allen Dingen das deutsche Staats- und Pflichtbewußtsein von dem Beispiel und der Lehre der englischen Staatsmänner und Staats­rechtslehrer gehoben wird. Und der nämliche Grundgedanke verleiht auch Noscher's Werk den höchsten Werth.

Von den vornehmsten literarischen Vertretern unsres Volkes wird unser Zeitalter so oft, und wir meinen im Ganzen nicht mit Unrecht, als die Epoche des letzten Entscheidungskampfes zwischen den romanischen und germanischen