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Friedrich Fischbach´s Selbstbiografie : Brief an einen Kunstgelehrten.
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Deshalb suchte ich auch über die alten Vorbilder hinaus, die ich von Stoffen und Vasen ?c. fleißig sammelte, möglichst zu deren Vorbildern in der Natur zurückzugreifen. Auf Spaziergängen sammelte ich viele Jahre hindurch und heute noch schöngeformte Blätter und Blumen und verdanke dieser Be­schäftigung einen ebenso großen Genuß der Naturfreude als auch manches Ornament, welches heute im Handel verbreitet ist. Mein Sprüchlein:

Leben und Entfaltung Herrscht in der Natur, Rhythmus der Gestaltung Zeige die Contur.

enthält wohl das Wesentliche, was der Ornamentist beim Studium zu beachten hat, denn bezeichnend genug können wir nur diejenigen Pflanzen verwerthen, welche rhythmische und geometrische Gestaltung erlauben. Für die rein geometrische Ornamentik fand ich den Schlüssel in der Theorie des Lichtes und publicirte dieses Studium unter dem TitelEinfluß von Licht und Farbe auf die Formbildung der Ornamente" in der Gewerbehalle 1873. Indessen ist nicht zu übersehen, welche Anzahl bedeutender Kräfte sich in den letzten Jahren der Pflege der Kunstindustrie widmen und daß ich diesen meine Erfolge zum Theil mit verdanke. Erhalten wir den 1873 in meiner mit Zimmermann in Hanau verfaßten Petition angestrebten Meisterschutz, so dürfen wir in einigen Jahren wohl behaupten, daß Deutschland im artistischen Wettkampf mit Frankreich einem Siege entgegengeht, der wie in der Malerei um so sicherer und schöner ist, als er zunächst im Werthe des idealen In­haltes und später auch in der technischen Ausstattung der Gegenstände beruht. Jedes Bürgerhaus soll eine Stätte der Kunst werden, das ist die große Auf­gabe der Kunstindustrie und schätze ich mich glücklich berufen zu sein, diese Aufgabe thatkräftig ihrer Lösung entgegen zu führen. Den Sporn dazu ver­danke ich wie schon bemerkt, zum Theil meinem französischen Lehrer Van der Syp, roie ja eine stark gebeugte Feder um so stärker emporschnellt. Prof. Lohde m Berlin ist aber in Wahrheit mein Führer im ersten Jahre meines Schaffens gewesen und dann auch förderte mich Gropius, während Böttcher's nüchterne Theorie mich zwar sehr interessirte, aber zum Glück nicht zu stark beschäftigte, da in ihr die Prosa des Calculs die Frische des Empfindens beeinträchtigt.

Die kirchliche Richtung von Schmidt, Essenwein und Bock führte mich Zu vielen gothischen und romanischen Entwürfen für Teppiche, Kirchenstoffe Und Paramenten. Da ich aber stets vom stofflich-decorativen ausging, so konnten die schroffen Principien dieser Stylarten mich nicht davon abhalten, das eigene moderne Empfinden mit den alten Motiven zu verschmelzen. Diese individuelle Berechtigung erkenne ich ebenso den griechischen, römischen und orientalischen Stylarten gegenüber an und sehe darin die einzig mögliche