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Herbsttage in Schwaben. 2. :
(Hohenneuffen. Urach. Eningen. Die Achalm. Lichtenstein. Reutlingen. Die Hohenzollern. Die Schwarzwaldbäder. Hirsau.)
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ungefähr drei Stunden entfernt, hatte mir der Castellan als Balingen, ein in seiner Nähe emporragendes Schloß als Geislingen bezeichnet. Das ist der Wohnsitz des Präsidenten der bayrischen Abgeordnelenkammer, jetzigen Nach­folgers des Fürsten Hohenlohe im Präsidium des Reichstages, des mannhaf­ten Volksvertreters Freiherrn Franz von Stauffenberg. So nahe dachte ich mich dem Hause des Freundes nicht. Durfte ich an ihm vorübergehen? Schon um Mittag war ich dort, mitten in einem der liebenswürdigsten Familienkreise, wie sie nur die höchste Geistes- und Herzensbildung schaffen können, und die Stunden flogen in ernsten und heitern Gesprächen dahin. Die Sonne stand schon tief, als wir dankbar fchieden und den Wanderstab weiter setzten. Geislingen hatte uns die Reiserichtung verändert. Die Zeit war mir nur noch knapp gemessen. Nach Tübingen konnte ich nicht zurück. Also Verzicht darauf und an einer andern Stelle hinab ins Neckarthal wieder, bei Sulz, wo der Fluß in tief eingeschnittenem Thale fließt und sein Rauschen fast trotzig und unbändig ob der von den gar so eng ihn umschnürenden Bergen ihm angethanen Unbill in unsern Schlaf herein klang.

Nur eine Station aufwärts führte uns andern Morgens die Bahn nach Horb, einem alten, mit Mauern, Thürmen und schlechten Häusern an das linke Ufer hoch hinaufgebauten Nest. Wenn der Schienenweg auch hier

und das ist wohl jetzt schon vollends geschehen Felsen und Berge durchsprengt hat, dann wird man rascher von Horb in Nagold sein, als das uns beschieden war, die wir das mit ein paar Stunden beschwerlicher Post­wagenfahrt, bergauf, bergab, erkaufen mußten. Wir kamen uns auf einmal wieder sehr weit ab von der Welt vor. So ein alter Rumpelkasten kann ganz antidiluvianische Stimmungen aus einem herausmartern. Die Post zu Nagold trug ganz das Gepräge der alten Zeit, wo es nur Postillons, Beichaisen, Reisewagen, Retouren, feilschende Hauderer, schläfrige Hausknechte,

und vor allem Muße und ruhigen Aufenthalt für ein Frühstück oder Mittagessen gab. Zwar ist Nagold schon Eisenbahnstation, allein der Bahnhos liegt von der Stadt etwas entfernt und auf der Hauptstraße, die von hier nach Freudenstadt auf die Höhe des Schwarzwaldes führt, wird noch lange der Eilwagen und der Lohnkutscher, überhaupt das Fuhrwerk seine Allein­herrschaft ausüben. Drum sah's vor der Post so erinnerungsfreudig an das. wie es vordem war, aus. Selbst so eine Badeequipage, wie sie da eben für die blasse, kranke, junge Engländerin zugerichtet wurde, indem Kammerjungfer und Bediente Betten, Matratzen, Decken, Speisekörbe u. s. w. in ihr auf­stapelten, sieht man selten mehr. Ob sie nach Wildbad oder Baden fuhr- das erfragten wir nicht, aber das wußten wir, daPwir selbst in der Nähe der hochberühmten Schwarzwaldbäder waren, daß wir gerade so viel Zeit noch herausbekommen konnten, wenigstens eins zu besuchen. Vor dem aristokratischen