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ihm, malerische Volkstracht hat sich noch in diesen erhalten. Wir waren aus Würtemberg heraus, in den hohenzollerischen Landen, auf dem Bahnhof von Hechingen. Der Gasthof „zur Linde" liegt gerade am entgegengesetzten Ende der ehemaligen Hauptstadt der hohenzollerischen Lande. Wir hatten sie ganz zu durchgehen, bergauf, bergab, wie ihre Straßen laufen. Gut, daß der Mond voll und klar am Himmel stand. Mit dem Fürsten scheint die Beleuchtung der Residenz ausgegangen zu sein. Aber so fanden wir unsern Weg und im Mondenlicht sah sich manch altes vornehmes Haus vielleicht doppelt stattlich an, rauschten die schönen Brunnen, an denen die Mädchen plaudernd standen, und lag auf einmal ein hoher, spitzer Berg dicht vor unsern Augen und auf ihm eine herrlich hehre Burg : der H ohenzollern, die Kaiserburg des neuen Reichs.
Ich sah noch lang hinaus in die Nacht. Der Mond war hinter eine Wolke getreten, Lichter schienen aus den Burgfenstern hernieder. Auf dem neuen Kaiserberge war also Leben, anders als auf dem einsamen, verlassenen Hohenstaufen. —
In früher Stunde stand ich oben auf der luftigen Warte. Durch thaufrische Wiesen, durch herrlichen Buchenwald war ich emporgestiegen. Das Reichsbanner flatterte über mir im Morgenwind. In der letzten Pracht des Jahres, im vollen Herbstschmuck, lag das Land ringsumher erschlossen. Das Stammland der Hohenstaufen liegt huldigend dem Schloß der Hohenzollern zu Füßen. Der Bergkranz der Alb umschlingt die Eine Hälfte des Bildes, die andere findet im Schwarzwald ihre fernen Grenzen. „Vom Fels zum Meere", das ist der Eingangsspruch über dem Thor der Feste. Wer den Grundstein zu ihr gelegt? Die Geschichte kennt den Namen nicht; die Burg stand schon als der erste urkundlich beglaubigte „Gras von Zollern" Thassilo, um das Jahr 800 aus der vorhergehenden Sagendämmerung in das helle Licht der Geschichte tritt. Ob er's hätte tragen können, wenn aus dem Dunkel des nachbarlichen Eichenheimes eine Velleda getreten wäre und ihm mit Prophetenwort die künftige Geschichte seines Hauses, dessen Siegesgang „vom Fels zum Meere" verkündigt hätte? Aber ein Stück vom spätern Zollernthum lag schon in den Leuten. Thassilo's Sohn Thanko hieß schon für den kleinen Kreis seiner Zeit, was der, der nun dem Zollernschild das Kaiserwappen angefügt, für die Welt geworden: „ein Schiedsrichter über Krieg und Frieden". Des Thanko's Urenkel, Friedrich I. von Zollern, so^ um 980 das Stammschloß der Ahnen erneuert und erweitert haben. Sein Enkel Friedrich III., um 1111 Kaiser Heinrich's obersterund geheimster Rath, war ein allgemein beliebter Mann seiner Zeit. Sein Sohn Rudolf II. entschied als muthiger Anhänger der Ghibellinen, die blutige Schlacht auf der Wohred (Wöhrd) bei Tübingen (NK4). Von der Zeit an theilte sich der