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hat Uhland davon gesungen. Und noch einmal machten sie in Würtemberg Rumor. Bet einer einfachen Schlägerei in einem Weinhause war der Wür- temberger Burgvogt, der in der Stadt fitzen durfte, „etwas übel weggekommen", d. h. erschlagen worden. Die Stadt wollte den Thäter nicht ausliefern, so rückte Herzog Ulrich mit einem Heer an, grub jener die Brunnen ab und setzte ihr mit seinen Karthaunen und 'Handbüchsen hart zu. Die Belagerten verbrannten ihre Vorstädte, damit sich der Feind in ihnen nicht festsetzen sollte, dieser schoß wieder die Stadtmauern zusammen, dann aber fror bei strengem Winter der Stadtgraben zu und der Rath mußte capituliren. Nun legte sich der schwäbische Bund in den Handel und eroberte Reutlingen dem Reiche zurück; der Herzog mußte sein Land meiden und 16 Jahre lang ließ der Geist des erschlagenen Burgvogts ganz Würtemberg keine Ruhe.
Jetzt sieht Alles. Stadt und Leute eminent friedlich aus und in dem Wernerischen Bruderhaus macht jene sogar auf eine ganz besondere Friedensstätte Anspruch. Wir haben nicht ohne Bewunderung für die Thatkraft Eines Mannes, von dem das alles ausgegangen, die mancherlei Anstalten durchwandert, die. ähnlich dem rauhen Haus zu Horn aber praktischer als dieses, den Versuch machen sollen. Socialismus und Christenthum zu verschmelzen und die Idee der Klöster und Congregativnen im Geist des Protestantismus Zu regeneriren. Und ein Zweitinteressantes, wenn freilich wieder auf ganz anderm Gebiet Liegendes, bot uns noch Reutlingen: das pomologische Institut des Herrn v. Lucas. dessen Leistungen und gemeinnützigen Einrichtungen in ihrer besondern Sphäre in Deutschland wohl einzig sind. Mit großer Liebenswürdigkeit führte uns der Eigenthümer durch seine weitausgedehnten Gartenpflanzungen mit ihren Hunderten von Obstarten, die Lehr- und Hör- säle, die reichhaltigen Sammlungen, und wir schieden mit hoher Achtung °uch von diesem Manne, der mit seltener Energie und Befähigung, nur ans L'ebe zur Sache und aus opferwilligem Sinn für das Gemeinwohl, hier ein Sanz neues Arbeits- und Erntefeld geschaffen hat.
Aber es waren uns nur flüchtige Stunden für beide Anstalten, um derentwillen man nicht an Reutlingen vorüberfahren darf, vergönnt. Wir ^ren wieder an der Eisenbahn und die mußte uns an dem Abend noch nach Hechingen bringen. Das Neckarthal hüllte sich in Dämmerung; schon Tübingen war etwas umflort. Die würtembergische Universitätsstadt hat U'cht die großartige Lage ihrer Schwestern Freiburg und Heidelberg, aber lieblich ist sie und anmuthig. und auch viel besungen. Manch Greisen- und Mannesauge ruht heut noch mit freudig-wehmüthigem Blick auf dem Städtchen Mischen Neckar und Ammer, der Stätte fröhlicher Jugend. Wir fuhren diesmal vorüber; erst auf dem Rückweg vom Hohenzollern wollten wir Halt Zachen. Es ging im Neckarthal aufwärts. Wohlhabende Dörfer liegen in