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Neuere kirchenpolitische Fragen.
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Keuere Kirchenpotttische Iragen.

Es ist von Freunden kirchlichen Lebens und christlicher Gesinnung oft geklagt worden, daß die großen Errungenschaften des letzten Jahrzehnts, die sieggekrönten Kriege dem deutschen Volke keinen Zuwachs an religiöser und sittlicher Vertiefung erworben hätten, und unwillkürlich ist der Blick auf die Befreiungskriege gefallen, welche den Ausgangspunkt für eine ideale Erhebung, für eine Rückkehr des deutschen Volks zur Kirche und zum christlichen Leben bildeten. Wir wollen den Wahrheitsgehalt nicht bestreiten, der in dieser Klage liegt, müssen aber doch offen aussprechen, daß sie aus einer einsei­tigen Betrachtung der Zustände und Bewegungen der Gegenwart hervorge­gangen ist. Oder wer kann leugnen, daß in unsrer so sehr auf Einsicht in die Sinnenwelt und auf Verwerthung ihrer Erzeugnisse gerichteten Zeit die kirchlichen Angelegenheiten ein allgemeines Interesse erregt haben, ja eine brennende Frage geworden sind. Freilich zeigt sich auch in der Art und Weise der Beschäftigung mit ihnen der eigenthümliche Charakter unsrer Zeit. Es sind nicht die Gegenstände des Glaubens, die Untersuchungen, auf welche die theologische Wissenschaft sich vorzugsweise richtet, um welche sich die Aufmerk­samkeit des Volks sammelt, es ist vielmehr die Gemeinschaft, welche die Hei- ligthümer bewahrt, es ist die sichtbare Kirche, für welche die Gegenwart ein Herz hat. Das Christenthum als ein sichtbarer, das öffentliche Leben bestim­mender Faktor nimmt ihre Beachtung und Thätigkeit in Anspruch. DieBezeugung 'hrer Theilnahme am christlichen Leben stellt sich dar auf dem Gebiet der Kirchen­politik. Man unterschätze dieselbe nicht, es giebt einen Weg. der von der Peripherie zum Centrum, von der Form zum Inhalt führt. Wir haben ein begründetes Recht zu der Hoffnung, daß unser Volk vom Interesse an der Kirche zum Leben in der Wahrheit des Evangeliums und zum Glauben an die Heilsgüter werde geführt werden.

Die Richtung, welche die neuere kirchenpolitische Gesetzgebung eingeschlagen ^t, bürgt dafür. Sie hat erkannt, daß es nicht angeht, das kirchliche ^eben als eine Privatsache der Individuen oder gleichzeitiger Vereine anzu­sehen, daß dasselbe vielmehr einen integrirenden Bestandtheil des öffentlichen Gebens bildet, daß sich derselbe einer Beeinflussung desselben nicht entziehen Grenztwte» IV. I»74. 6