40
bedeutsamer Weise verkündet die erste Thronrede die innige Freundschaft mit Preußen als die Hoffnung der zukünftigen Politik der italienischen Regierung, und fast einstimmig wird vom Parlament das Königreich Italien und Victor Emanuel als „König von Italien" ausgerufen. Wie an diesem Tage Cavour beim Heraustreten aus dem Parlamentsgebäude von Alessandro Manzoni umarmt wurde, und das zu Tausenden versammelte Volk stürmischen Beifall klatschte, als es den Begründer seiner politischen Einheit in den Armen des edelsten Vertreters der literarischen Einheit Italiens liegen sah, da mochte jeder Zuschauer in der Begeisterung der bedeutsamen Stunde das große Werk des Staatsmannes für erfüllt halten. Indessen für ihn begann nun erst der Gipfel der Schwierigkeiten sich zu zeigen: Venedig und Rom, die Stellung zu Frankreich und Deutschland, zu den radicalen Drängern im Innern, das Verhältniß der Kirche zum Staate —- Alles das forderte von Tag zu Tag immer lauter und dringlicher seine Lösung. Es ist nun ein besonderer — oben schon von Holtzendörff betonter — Vorzug der Massari'schen Biographie, daß er alle diese Dissonanzen wohl kräftig erklingen läßt, wie sie ja auch Cavour's letzte Lebensmonde erfüllten, aber daß er dagegen auch aufzeigt, wie dem unermüdlichen Vorkämpfer seines Volkes das seltene Geschick beschieden war, versöhnt mit allen Gegnern seines Strebens zu sterben. So endete jene denkwürdige Zusammenkunft Cavour's mit Garibaldi, die nach dem furchtbaren Aneinandertreffen beider Männer im offenen Parlament vom Könige gewünscht wurde, aber kaum möglich erschien, mit einer feierlichen Billigung des politischen Programms Cavour's im Verhalten gegen Oesterreich und Frankreich durch Garibaldi. Die Männer schieden. wenn nicht als Freunde, doch ohne jegliche Gereiztheit. So glückte Cavour noch in den letzten Tagen seines Lebens, die Verhandlungen mit Paris und Rom dem Abschlüsse nahe zu führen: Napoleon wollte das Königreich Italien anerkennen und sich verpflichten, die Truppen aus dem Kirchenstaat zurückzurufen, wenn dagegen die italienische Regierung eine Gewähr geben würde, daß sie keinen Angriff duldete und die Grenze streng bewachte. Die Zusage dieser Bedingung Seiten Cavour's enthielt eines seiner letzten Telegramme nach Paris, mit dem Datum vom 31. Mai 1861. Den Rest der Schwierigkeiten dachte er mit der Zauberformel zu ebnen: „die freie Kirche im freien Staate." Das war der letzte Gedanke, den der Sterbende aussprach, der ihm das Sterben im Frieden mit seiner Kirche, deren letzte Gnadenmittel ihm der eigene Bruder spendete, ermöglichte. So breitet sich über all seine letzten Handlungen die Verklärung des Friedens, der Versöhnung. Am 6. Juni 1861 früh Uhr verschied er.
Möge die Verdeutschung der Biographie Massari's in Deutschland recht viele, recht aufmerksame Leser finden. Denn wenn der Politiker und Staats- man Cavour vielleicht auch noch kunstvoller dargestellt und charakterisier werden kann — den Menschen Cavour wird niemand pietätvoller und anschaulicher jemals uns schildern können, als das Werk Joseph Massari's. ^
Mit diesem Hefte beginnt diese Zeitschrift ein neues Vuarral, welches durch alle Buchhandlungen und Postämter des In- und Auslandes zu beziehen ist.
Privatpersonen, gesellige Vereine, Lesegesellschaften, Kaffeehäuser und Conditoreien werden um gefällige Berücksichtigung derselben freundlichst gebeten.
Leipzig, im October 1874 Die Werlagshandlung.
Verantwortlicher Redakteur: vr. Hans Blum. Verloa, von A. L. Herbig. — Druck von Hiithel Segler in Leipzig.