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lienische Lehrer empfindet diesen Mangel vielleicht nicht in demselben Grade wie der deutsche. Aber ganz wird auch er ihn keinesfalls verschmerzen. Die (deutsche) Bezold'sche Ausgabe sorgt nun wenigstens für das Bedürfniß unsrer synchronistisch-historischen Orientirung. Es sollen in kürzester Zeit Geschichts- Tabellen über die einschlagenden Perioden der modernen italienischen Geschichte — und der für die Geschichte der Halbinsel entscheidenden Ereignisse im übrigen Europa — als Anhang zu der bereits abgeschlossen vor uns liegenden Deutschen Ausgabe von Massari's Werk folgen. Auch die vortreffliche Photolithographie Cavour's mit dem (kaum erkennbaren) Facsimile seines Namenszuges, vervollständigt unser Interesse an der deutschen Ausgabe. Das Bild Cavour's ist nach der gelungensten Photographie gearbeitet, die während des Pariser Congresses von ihm genommen wurde. Es ist der Güte des Grafen Greppi zu danken, der, wie überhaupt der ganze überlebende Freundeskreis Cavour's einschließlich Massari's (und seines Verlegers) durch Rath und That das lebhafteste Interesse für das Zustandekommen der deutschen Ausgabe bezeigt hat. Das Bild Cavour's, das hier geboten ist, kann recht eigentlich als Illustration zu jener bekannten Schilderung gelten, welche Treitschke von dem Aeußern des großen Staatsmannes entwirft. „Man sah den untersetzten lebhaften Mann mit dem behaglichen Lächeln auf dem breiten Gesichte, wie er sich in den Sessel warf, beide Hände in den Hosentaschen, oft die Beine fast nach Türkenart verschränkt, wie er unter schmetterndem Gelächter übermüthige Witze herausplauderte. . . Offenherzig und gesprächig sagte er gleichwohl nie ein Wort zu viel. Alsbald, sobald ein bedeutender Gegenstand herantritt, faßt er sich sicher zusammen; es lagert sich dann tiefer Ernst über die breite Stirn, die Klarheit eines mächtigen Berstandes leuchtet aus den stechenden, tiefliegenden Augen... Den Italiener verräth nur das Feuer des Auges, nach seiner hellen Haut, seinem blonden Haar ist er Nordländer. . . Er ist aber geradezu stolz darauf, daß er dem Grenzvolke angehört — halb Romane und halb Germane. Wie die anderen Söhne des Hochlandes schwärmt er für das Haus Savoyen. Er ist aber d'rum doch von Herzen Italiener, Italiener vom Scheitel bis zur Sohle."
Auch Ludwig von Rochau hatte in seiner Arbeit über Cavour in diesem Blatte auf die halbdeutsche Abstammung und Nationalität Cavour's hingewiesen. Und er, der mit Massari die Ehre theilte, Cavour persönlich gekannt, sein Leben und Wirken jahrelang aus nächster Nähe beobachtet zu haben, befindet sich bis zu dem Punkte, wo der Tod seiner Abhandlung über Cavour ein Ziel setzte, in allen Hauptsachen in merkwürdiger Uebereinstimmung mit dem italienischen Biographen. Namentlich führt Massari die von unserm Rochau so schön und klar entwickelte Befähigung Cavour's zur Behandlung volkswirtschaftlicher, mercantiler und finanzieller Fragen auf jene Vorliebe