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Italienische Reisebilder : 2. Mailand.
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Hof hielt. Aber noch eine feine ironische Symbolik kommt hinzu; denn vierzehn Blitzableiter schützen das Dach des Baues gegen Wetterschläge und um den künstlerischen Eindruck nicht zu stören, hat man als Träger derselben jene Krieger erwählt, die mit Lanze und Speer bewaffnet sind, unter ihnen den großen Corsen. Er der seine gewaffneten Blitze über die Erde zucken ließ und Länder mit ihnen versengte, ist nun das stumme Werkzeug geworden um den Blitz zu entwaffnen, der machtlos durch seine Hände gleitet. Ob sich Wohl Mailand rächen wollte, das er 1800 im Sturm nahm, ob es nur eine Fügung wundersamen Zufalls ist?

Stundenlang kann man auf der breiten Plattform des Daches, in diesem Wald von Marmvrthürmen wandeln und immer bieten sich neue Gestalten dar; verschlungene Blumen und Blätterwerk, Drachenhäupter, aus deren Schlund das Wasser herabschießt, wenn die lange Regenzeit beginnt, alles aus blendendem Gestein, alles so stumm und doch so beredtsam!

An den Wänden stehen taufende von Kritzeleien, in allen Sprachen der Welt, und wenn es auch häufig nur schlechtgeschriebene Namen sind. so ver­räth uns doch mancher Satz die heimliche Ergriffenheit, die an solcher Stätte wach wird!Vtüe earissiirm" schreibt ein Priester am Tag seiner Weihe, Sprüche aus Byron und Dante, aus Rousseau und Goethe sind keine Selten­heit; in schwärmerischer Wallung wacht die Vaterlandsliebe auf, wie die tausendfachen Evviva's für das einige Italien bekunden. Ja wahrhaftig, es herrscht eine wundersame Gehobenheit in dieser luftigen Höhe. Und doch wie nahe liegt der Weihe das Handwerk; in der rauchenden Pfanne da drüben sieden sie flüssiges Blei, mit dem die Ritzen ausgegossen werden und wenn eine Stunde der Rast kommt, dann rücken die sonnverbrannten Gesellen zusammen und ziehen die Würfel aus dem Sack und die kupfernen soläi. So sah ich sie sitzen mit übergeschlagenen Beinen und funkelnden Augen eiu<MS sei äisei;g-eeicieuw" (treff Dich der Schlag) schrie Jener, der ver­loren hatte. Lange, lange lehnt' ich über der weißen Brüstung und sah hinaus an die Alpen und hinab auf die braunen Dächer der Stadt, es lag etwas schwelgerisches in dieser unermeßlichen Ferne!

Von den übrigen Kirchen Mailands verdient vor allem die Basilika des heiligen Ambrosius Erwähnung, die noch ins IV. Jahrhundert reicht und ihre Entstehung dem großen Kirchenvater verdankt, für dessen erhabene Einfachheit der ambrosische Ritus das beste Zeugniß gibt. Und diesen Charakter trägt auch der ganze Bau, soviel immer die spätere Zeit daran geändert hat; ohne besondere Schönheit wohnt ihm doch die tiefste Würde inne und jener Ernst, den jede große Vergangenheit zurückläßt.

Hier vor dem Hochalter fand die Bekehrung des heiligen Auqustin und die Krönung de.r italischen Könige statt, Berengar's und Otto des Großen,