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Die Schlacht von Pavia am 24. Februar 1525 : das "Sedan" des 16. Jahrhunderts. III.
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nicht mehr dieselbe Hingebung für Frankreich wie früher, und seit dem Ge­fechte von Bicocca hatten sie zu sich selbst auch nicht mehr das volle Vertrauen. Nun zeigte es sich, daß der Menschenhandel der Cantone, welcher zwang, in immer schlechtere Kreise hinabzusteigen, immer weniger wählerisch zu wer­den, bereits der militärischen Brauchbarkeit empfindlichen Schaden gethan. Wenn schon bei Marignano und Biccoca die ganze Leistung der Schweizer nur noch in einem verzweifelten Drauflosgehn bestanden, so vermochten sie bei Pavia nun auch das nicht mehr. Obgleich doch nur ein Theil von Pescara's Infanterie, der sich quer über das ganze Schlachtfeld durch den Reiterkampf gegen sie herübergezogen hatte, auf sie eindrang und nur durch einen geringen Theil der Reisigen unmittelbar unterstützt wurde, so zeigten sich doch die Haufen der Schweizer von Anfang an schwankend. Nur ihre Führer, zumal der wackere Johann von Dießbach, bewähren noch den alten Ruhm. Sie treten vor, um die laue Haltung derverlorenen Knechte" zu erwärmen; sie sterben muthig; aber ihr Tod, statt zur Rache aufzufordern, erschüttert die Mannszucht noch mehr, und als nun das spanische und italienische Fußvolk Pescara's sowie die deutschen Knechte der Vorhut den Schützen mit großer Schnelligkeit nachfolgen und zugleich sich die irrthümliche Nachricht verbreitet, Frundsberg, der Leutfresser mit den deutschen Landsknechten rücke ebenfalls an, da reißen alle Bande der Ehre und Pflicht, und in regelloser Flucht verschwindet der eine der beiden Gewalthaufen der Schweizer vom Schlacht­felde. Vergeblich wirft sich ihnen Fleuranges in den Weg und erbietet sich, mit seinen Reisigen abzusitzen und in ihrem ersten Gliede zu Fuß zu fechten sie hören ihn nicht und fliehen durch den Thiergarten auf ihr Lager und die untere Tessinbrücke zu ohne zu ahnen, daß sie dort erst recht dem Verderben entgegen gehn. Die rechts und links der Schweizer stehende leichte Reiterei des rechten französischen Flügels und ebenso der starke Ka­vallerierückhalt des Herzogs von Alencon wurden von derselben Panique ergriffen; oder sie gaben gar, wie andere Schriftsteller versichern, sobald sie von den Kugeln der Arquebuseros erreicht wurden, den Schweizern selbst das Beispiel der Flucht. Vergeblich stellte der Herr la Röche du Maine, des Herzogs Lieutenant, diesem vor, was Pflicht und Ehre geböten; Alencon verließ ohne Schwertschlag das Schlachtfeld und brach hinter sich sogar die Tessinbrücke unterhalb der Stadt ab, den wichtigsten Rettungsweg für das französische Heer im Fall der Niederlage. Das war derselbe Alencon, dem zu Ehre man einst in Picardie zuerst den Herzog von Bourbon tödtlich belei­digt, indem man ihm die dem Connetable zustehende Führung der Avantgarde übertrug. Wie unähnlich war er seinem Ahnherrn, welcher in der Schlacht von Agineourt durch das dichteste Gedränge den König Heinrich erreichte und ihm mit dem Ausruf:Ich bin der Graf von Alencon!" einen Theil der