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scheiden über seine Arbeit aus; er beansprucht nicht, eine wissenschaftliche Arbeit über Petrarca zu liefern, sondern er versucht nur, „durch diese Blätter die Erinnerung an einen Mann aufzufrischen, der in Deutschland nicht seiner Bedeutung gemäß gewürdigt zu werden pflegt." Letztere Behauptung scheint uns so allgemein ausgesprochen, beiläufig bemerkt, zu weit zu gehn. Der Dichter Petrarca ist in Deutschland wie überall gefeiert, und es dürfte nicht schwer fallen, seinen unmittelbaren Einfluß aus die Entwickelung gewisser Gattungen deutscher Lyrik nachzuweisen; die glänzende Ausbildung des Sonetts in unserer dichterischen Litteratur ist um von Anderen zu schweigen, schon ein vollgültiges Zeugniß für die mächtige Einwirkung des großen italienischen Liebessängers aus unsere Poesie. Der großen Bedeutung des Gelehrten und Humanisten wird dagegen — gerade weil Petrarca's Dichterruhm, sein Liebesglück und Liebesleid, die Gemüther der Mitlebenden und Nachlebenden zu ausschließlich gefesselt hat — im Allgemeinen allerdings nicht genügend aner- kannt. Wer denkt, wenn er die von dem schimmernden Zauber der höchsten Liebesromantik umstrahlten Namen Petrarca und Laura aussprechen hört, an die stillen Arbeiten des gelehrten Forschers, an den rastlosen Eifer, mit welchem derselbe alle Klöster nach alten Pergamenten durchsuchte, an das Entzücken, mit welchem ihn jeder Fund erfüllte, an die ununterbrochenen Kämpfe, die er gegen die Verknöcherung aller Wissenschaften führte, gegen die Char- latanerie der Aerzte, gegen die trockene, alles historischen Sinnes baare, rabulistische Gelehrsamkeit der Juristen, gegen die spitzfindige Scholastik der Theologen, wider die sein tiefes religiöses Gefühl sich empörte! Und doch ist gerade die Kenntniß dieser Thätigkett des Gelehrten unerläßlich für Jeden, der die Bedeutung Petrarca's vollkommen würdigen will.
Herr Geiger hat sich ein großes Verdienst erworben, indem er den Gebildeten unseres Volkes in kurzen kräftigen Zügen ein Bild der Gesammt- individualität des großen Dichters, des begeisterten Patrioten, des muthigen Vorkämpfers für Aufklärung und Bildung entwirft. Der Verfasser verzichtet, wie gesagt darauf, neue Forschungen und wissenschaftliches Detail zu bieten. Nichtsdestoweniger aber beruht sein Werk auf einem umfassenden und sehr sorgfältigen Quellenstudium. Das vorhandene reiche Material ist gründlich durchgearbeitet; vor Allem tritt ein genaues Studium der Werke des Dichters, namentlich seines ausgebreiteten Briefwechsels, auf jeder Seite hervor. Einzelne Streitfragen, wie über die Persönlichkeit der Laura und das Verhältniß des Dichters zu der gefeierten Geliebten, sind einer erneuten Prüfung unterzogen und dadurch ihrer Lösung näher geführt. Vor Allem wird die UnHaltbarkeit der Ansicht des Abbe' de Sade, daß Laura eine geborene de Noves, an einen Herrn de Sade verheirathet und Mutter von 11 Kindern gewesen sei, mit beweiskräftigen Gründen nachgewiesen. Die anspruchslose Schrift