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es den Namen Leipzigs an der Stirn trägt, doch eine Boreingenommenheit für diese oder gegen die Schwesterstadt an der Elbe Niemand schuldgeben wird, ward mit anerkennenswerther Unbefangenheit als die Signatur Leipzigs das kräftig schöpferische Jünglings- und Mannesthum, als die Dresdens mehr die harmlos genießende Kindheit und das beschauliche Alter bezeichnet.
Mancherlei Vorzüge, theilweise selbst erworben, theilweise durch die Gunst der Verhältnisse und die umsichtige Fürsorge der Regierung ihm zugewendet, treffen in Leipzig zusammen: die vortheilhaste Lage als ein Kreuzungspunkt zwischen dem Norden und dem Süden, dem Osten und dem Westen Deutschlands, ein altbegründetes Handelswesen und ein ebenso altbegründeter Ruf als Ausgangs- und Mittelpunkt vielseitiger, fruchtbarer wissenschaftlicher, literarischer und künstlerischer Bestrebungen durch seine Hochschule, seinen weithin beherrschenden Buchhandel, seine berühmten Institute für Musik.
So ward Leipzig früh eine kosmopolitische Stadt, vielleicht die am meisten kosmopolitische in Deutschland, während es zugleich in neuerer Zeit eine der am zweifellosesten nationale im ganzen Reiche ist.
In die Vergangenheit einer solchen Stadt zurückzugehen, zu sehen, was früher anders war und wie aus dem Damals das Jetzt sich entwickelt hat, muß sicherlich ein hohes kulturgeschichtliches Interesse bieten. Versuchen wir es denn, soweit der Umfang quellenmäßiger Nachrichten es ermöglicht und der freilich beschränkte Raum eines Artikels in diesen Blättern es gestattet!
Beginnen wir mit der äußeren Physiognomie der Stadt! Wir brauchen nicht allzuweit zurückzugehen, um uns anschaulichst zu überzeugen, welche bedeutende Fortschritte im Laufe der letzten Jahrzehnte in Bezug auf Bauten und Anlagen Leipzig gemacht hat. Wählen wir einen einzelnen Punkt, allerdings den Glanzpunkt der Stadt, den Augustusplatz, der mit seinen vielen stattlichen, zum Theil prächtigen Gebäuden und seinen großen, regelmäßigen Raumverhältnissen fast jedem öffentlichen Platze in jeder deutschen Stadt sich an die Seite setzen darf, die meisten davon, selbst in vielen der größten Städte, hinter sich läßt. Wie sah er vor etwa anderthalb Menschenaltern, etwa im Jahre 1830 aus? Da, wo jetzt die Grimmaische Straße frei und offen auf den Platz mündet, streckte sich damals, die Aussicht verschließend und den Verkehr beengend, das alte düstre Thor weit hinaus, rechts und links von tiefen Stadtgräben flankirt, die sich rechts an und um die Erste Bürgerschule bis zum Petersthor, und weiter (wie noch heut) an die Pleißenburg, links zum Georgenhause hinzogen. Wo heut das glänzende Cafe' Felsche (beiläufig gesagt, glänzender in seinem Innern als irgend eines in Dresden und selbst in Berlin) in seine Räume oder unter seine Veranda einladet, stand damals der finstere Tetzelthurm, ein interessantes Denkmal allerdings einer hochwichtigen Zeit; neben ihm die noch nicht renovirte. kahl und hinfällig aus?