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Ein Brief aus Dresden.
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Lin Irief aus Dresdens)

Dresden. 11. Juni.

Ob Sie es auf den Zorn des Herrn von Friesen hin wagen werden, mir nochmals in Ihren Spalten das Wort zu gestatten, weiß ich nicht. Herr von Friesen erklärt bekanntlich alle Correspondenzen aus Sachsen, na­mentlich in nicht spezifisch sächsischen Blättern (und ein solches sind ja Ihre Grünen"), wenn sie nicht durchauswohlmeinend" für ihn und seine Collegen sind, für ei-iming, iassas majestatis. Ob ich nunwohlmeinend" werde im Sinne dieser Herren Minister schreiben können, ist mir freilich zweifelhaft, nämlich sofern sie darunter das verstehen, daß Jemand Alles loben soll, was sie thun, und tadeln, was ihre Gegner thun daß ich es aber wohl meine mit Sachsen als Land, mit dem sächsischen Throne, ja auch mit der Regierung als solcher, soweit auch hier der Spruch gilt: appollkrs a malo intormato g,ü molius inkorm-mäum, das kann ich mit gutem Gewissen ver­sichern. Sie werden sich erinnern und mir bezeugen, daß ich schon bald nach dem Anfange der Regierung König Albert's meine Ueberzeugung dahin aus­sprach, daß. was an der Politik Sachsens nach außen und innen jetzt Be­fremdliches wahrzunehmen sei, nicht auf des Königs Rechnung komme, sondern lediglich auf die der Minister. Und noch jetzt kann ich mich trotz entgegen­gesetzter Meinungen, denen ich hier zum Theil selbst in Kreisen begegne, wo dies Wunder nehmen muß, von der Ansicht nicht trennen, daß, was heut' in Sachsen geschieht, keineswegs als der Ausfluß einer positiven Willensrichtung des neuen Monarchen, wohl gar als die eigentliche Signatur seines Regi­mentes anzusehen sei, sondern daß man höchstens sagen könne: der König läßt es geschehen. Warum? Vielleicht weil er sich streng in den Grenzen seiner UnVerantwortlichkeit gegenüber seinen verantwortlichen Ministern halten will. Vielleicht, weil er sich sagte, die Minister haben factisch im Augen­blicke seit dem Uebertritte der Fortschrittspartet auf ihre Seite in den Kammern die Mehrheit (was freilich nur halb richtig ist, da sie nichtsdesto- weniger noch immer häufig starke Niederlagen in einer und der anderen Kammer erleiden). Vielleicht, weil er sich erst noch genauer über die Stimmung und die ganze Lage des Landes orientiren will, ehe er die bisherige Regierungs- politik entweder positiv als sein Werk und als so von ihm gewollt anerkennt, oder aber modificirt.

In dieser Beziehung wäre es wohl gut gewesen, wenn König Albert die Absicht bereits durchgeführt hätte, die man ihm gleich anfangs beimaß,

*) Für unsere letzte Nummer leider zu spät erhalten.

D. Red.