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jenigen des Königreichs Italien überging und die ganze Stadt Venedig sich mit der italienischen Tricolore schmückte, mußte diese auch auf dem Palaste aufgezogen werden, welchen der Graf Chambord in Venedig besaß. Das war ihm ein Gräuel, er haßte alle Tricoloren, nicht blos die des italienischen „Ktrchenräubers und Verdammten", sondern ebenso gut die französische, die Fahne der Revolution. Seiner Ueberzeugung nach konnte Frankreich das Heil nur zurückkehren mit der weißen Fahne der alten Monarchie, mit dem Lilienbanner. Er beeilte sich, seinen entweihten Palast in Venedig zu verkaufen. Zu seiner gewöhnlichen Und Hauptresidenz hatte er schon mit dem Tode seines Großvaters Froschdorf bei Wiener Neustadt erwählt.
Während der Dauer des zweiten Kaiserreichs war dem großen Publi- eum nur durch sporadische Erscheinungen näher getreten, daß weder die Legitimisten, noch die Orleanisten, noch die Fufionisten ihre Hoffnungen begraben hätten. Die Hoffnungen der Legitimisten erschienen aber allgemein als die am wenigsten begründeten; daß die Franzosen 70 oder 80 Jahre aus ihrer Geschichte ausstreichen könnten, wie es doch „Henri V." ohne allen Zweifel von ihnen verlangte, daran wollte Niemand glauben. Indessen waren die „alten Parteien", welche niemals aufgehört hatten, zu existiren, schon seit 1869, als ein Gefühl der Unhaltbarkett des zweiten Kaiserreichs durch ganz Europa ging, wieder rühriger geworden; dann brach der große Krieg aus und es folgte in ihm Unglück auf Unglück. Man erinnert sich, wie in Folge davon in Frankreich sich eine Neigung zu dunklem Mysticismus verbreitete, wie Hoffnungen auf Wunder gebaut wurden und wie der Clerus diese Neigungen sofort ausbeutete, um eine ihm nützliche Zerknirschung und Mirakelgläubigkeit zu nähren, keineswegs ohne Erfolg. Die Stimmung, die sich hierbei eines großen Theiles Frankreichs bemächtigte, war nicht in Disharmonie mit der dunkeln mystischen Weise, in welcher Henri V. von Jugend auf gewöhnt worden war und sich später durch unausgesetzte Uebung selbst gewöhnt hatte, die Mission des französischen, halb theokratischen Königthums aufzufassen, dessen einziger wahrer Repräsentant nur er sein konnte. — Im Westen bildete sich unter Charette ein vollständig clerical-legitimistisches Armeecorps; dessen Kern Mächten die päpstlichen Zuaven und andere päpstliche Söldner französischer Zunge aus, welche durch das Aufhören der weltlichen Herrschaft des Papstes herrenlos geworden waren. Die Thaten dieses Corps wurden von der legitimistischen und clericalen Presse dermaßen ausposaunt, daß man in der Ferne hätte glauben können, es halte allein noch Frankreich und es werde ganz sicher die Deutschen aus dem Lande treiben und Frankreich, wenn nicht anders, durch ein Wund er befreien. Während der Bürger und Bauer sich schlug, oder, wenn er sich nicht schlug, doch wenigstens in Waffen oder im Lager stand, nahmen die grauen Häupter der „alten Parteien" lustig und GrcnMe» ll. 1874. 59