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Am 8. Februar 1871 fanden die Wahlen zu der am 28. Januar von Bismarck dietirten Nationalversammlung statt; am 13. Februar trat diese Versammlung zu Bordeaux zusammen. Nur elf Tage liegen zwischen dem 28. Januar und dem 8. Februar. Binnen 10 oder 11 Tagen sollte das französische Volk sich nicht blos über eine der größten Fragen in Betreff seiner Geschicke entscheiden, sondern auch die geeignetsten Repräsentanten seiner Meinung herausfinden. Eine außerordentlich schwierige Aufgabe! doch schien sie durch die dringenden Umstände selbst vereinfacht zu sein. Das französische Volk hatte damals nicht die geringste Ahnung davon, daß die Versammlung, welche aus den Wahlen vom 8. Februar hervorgehen sollte, die Dreistigkeit haben würde, sich die souveräne Gewalt über Frankreich anzumaßen.
Auch aus deutscher Seite konnte man schwerlich voraussehen, was sich wirklich begeben hat. Die deutschen Heere, mitten in Feindesland, in schwierigeren Umständen, als dies nach vollständig gesichertem Siege pflegt zugegeben zu werden, durften dem Gegner keineswegs gern wochenlange und unbedingte Muße zu neuen Rüstungen gestatten. Aber sollte nicht Bismarck trotz allem, wenn er voraussah, daß diese aus den Wahlen vom 8. Februar hervorgegangene Versammlung sich Souveränetät und constituirende Gewalt anmaßen werde, sollte er nicht gern dem französischen Volke einige Wochen mehr der Ueberlegung zu den Wahlen für diese Versammlung gegönnt haben.
Kurz und gut: die Verhältnisse waren gegeben; in unendlich kurzer Frist sollte Frankreich eine Nationalversammlung wählen, — aber in aller Augen hatte damals diese Nationalversammlung nur über die Frage zu entscheiden: Krieg oder Frieden! — Frieden mit den größten Opfern für eine neue Auferstehung, — Krieg „bis aufs Messer" ohne jede Aussicht auf Erfolg, mit kaum bekleideten, kaum bewaffneten, gar nicht organisirten und gar nicht commandirten Milizen. Ganz Frankreich lechzte nach Frieden; — ganz Frankreich, mit Ausnahme des durch die lange Belagerung Psychisch und physisch exaltirten und irritirten Paris, mit Ausnahme einiger „tous tui'isux", die niemals ihre Haut zu Markte getragen hatten. Ganz Frankreich mit diesen wenigen, leicht wiegenden Ausnahmen hielt jetzt den Abschluß des Friedens um jeden Preis für eine unausweichliche Nothwendigkeit. Die Franzosen, ihrer großen Masse nach wollten nur solche Männer in die Nationalversammlung wählen, welche für den Frieden stimmen würden.
Was blieb da für eine Auswahl?
Bonapartisten konnten im Februar 1871 nicht gewählt werden. Die Leute, welche von einem Tag auf den anderen leben, welche sich weder um Vergangenheit, noch um Zukunft bekümmern und sich wunder wie weise dünken, wenn sie vor ihrer von ihnen gerade stets mißhandelten Göttin Opportunitas auf den Knieen liegen, werden das allerdings heute ungern