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sofern er sie durch seinen Genius entzückt; er verschmäht deßhalb keineswegs trauliche Unterhaltung und wußte diese, solange es ihm sein Gehör erlaubte, durch fröhliche Unbefangenheit, treffenden oft beißenden Witz und ein freimüthiges Urtheil zu würzen. Mit väterlicher unermüdeter Liebe hängt er an seinem Neffen, von dem er sich viel verspricht. Die Zukunft wird lehren, ob er sich darin nicht geirrt hat; auf jeden Fall bleibt dieses Vertrauen ein Zeichen seiner warmen Empfindung, die auch sonst aus manchen Aeußerungen hindurch bricht trotz der etwas andere versprechenden Außenseite." Neben der Musik beschäftigte ihn die classische Literatur der verschiedenen Zeiten, besonders alte Geschichtsschreiber, und so geht's noch eine Weile über bekannte Dinge fort.
Das Fertigwerden mit der Messe scheint demnach nicht gar so fern zu liegen, obwohl Schindler ihn selbst bereits in diesem Herbst Zweifel an der Festhaltung des Termins äußern hörte, weil jeder Satz unter der Hand eine viel größere Ausdehnung gewonnen habe, als es anfänglich im Plan gelegen. In den Conversationen ist sogar schon von einer öffentlichen Aufführung des „Gloria" für Weihnachten dieses Jahres 1819 Rede. Und wenn wirklich, wie ebenfalls Schindler meldet, Ende October 1819 auch das Credo fertig, d. h. in den Entwürfen mit in die Stadt gebracht ward, so ist das „beinahe vollendet" am 10. November gegen Ries, wenigstens in Beethoven's Sinne völlig wahr. Denn damit schien weitaus der größere und schwierigere Theil der Arbeit abgethan. Allein das eine Wiener Skizzenbuch der Messe enthält unmittelbar nach dem rssurrcxit des Credo auch die Notiz „ Lkmzäicws in L Vuo solo;" und noch Skizzen zu vitam vonturi, und dem 2. und 3. Satz der Sonate Op. 109 folgt das Don-z. »odi», worauf viele Seiten Skizzen zum Leuecliotus und zwar in dem so bezeichnend sanft wogenden Zwölfachtel-Tact und mit dem entscheidenden Eingang des Herabsteigens von oben, der in Wagners Lohengrin so schön verwendet worden ist, das Heft schließen.
So lag das Ganze in den wesentlichen Zügen — denn auch Skizzen vom Sanews und ^gnus äei besitzt P. Mendelssohn in Berlin — entworfen vor, und die Arbeit konnte nun auch daheim weiter und zu Ende geführt werden. Im November schreibt also Schindler noch den Merktag des 9. März 1820 in den Kalender, und daß trotz erneutem Unwohlsein und all den Vormundschaftsgeschäften, die mit dem Eintritt in die Stadt von neuem wie bellende Hunde ihn anfielen — er schrieb damals allein drei lange „Vorstellungen" wegen der Vormundschaft an den Magistrat! — einstweilen mit gleichem Eifer an der ernsten Arbeit fortgefahren ward, bestätigt uns derselbe Zeuge ganz absichtslos selbst.
In der Herbstzeit 1819, wo der Meister eben volle 49 Jahre gezählt,