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Briefe aus der Kaiserstadt.
Seite
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haben wir es also mit einer Mischung verschiedener Elemente zu thun; doch hat der Componist eine recht glückliche Hand dabei gehabt; die elastische Receptivität, mit welcher er das Fremdartige sich assimilirt, oder, wo ihm dies nicht gelungen, die Tüchtigkeit, mit welcher er die Weise der Anderen nicht copirt, sondern reprodncirt hat, ist in Verdi's Jahren zu bewundern. Und so ist die Oper, unter dem rein musikalischen Gesichtspunkte betrachtet, auf alle Fälle eine achtungswerthe Leistung. Bedenklicher steht es mit der dramatischen Handlung, mit dem Sujet überhaupt. Bekanntlich wurde die Oper im Auftrage des Khedive geschrieben; nur dieser Umstand konnte den unter normalen Verhältnissen ungeheuerlichen Gedanken eingeben, eine Liebes- tragödie aus der Zeit der Pharaonen zu schaffen. Ohne Zweifel war das für Kairo äußerst wirkungsvoll, aber es konnte nicht anders sein: dem ganzen Werke wurde von vornherein der Stempel der Aeußerlichkeit auf­gedrückt. Von psychologischer Entwicklung ist in der Handlung herzlich wenig zu spüren; und wenn ja einmal der Versuch gemacht wird, dieselbe zu ver­anschaulichen oder wenigstens dem Gefühlsleben Ausdruck zu geben, so kommt uns sofort der Contrast zwischen dieser, unserm Vorstellungskreise so absolut fernliegenden Welt und den ganz modernen Empfindungen der in ihr lebenden Personen in störender Weise zum Bewußtsein. Von wirklich er­greifendem Effecte ist nur die Schlußscene. Der heldenhafte Heerführer Radames wird, weil er aus Liebe zu der am Hofe von Memphis als Sklavin lebenden äthiopischen Königstochter Aida im Begriffe stand, die eigene Sache zu verrathen, noch mehr aber, weil er die Hand der ägyptischen Königstochter ausgeschlagen, mit Einmauerung bei lebendigem Leibe bestraft. Eben hat sich über ihm das Gewölbe des unterirdischen Raumes, der ihm zum Grabe werden soll, geschlossen, in furchtbarer Verlassenheit starrt er dem Tode ent­gegen. Da naht sich Aida, die sich vorher in die Gruft geschlichen, um frei­willig mit dem geliebten Manne das äußerste Schicksal zu theilen. Und während so die Beiden in treuer Liebe vereint, tief unten ihr Leben aus­hauchen, erliegt droben, in der Tempelhalle, zusammengekauert auf dem Schlußstein des grausigen Gewölbes, das stolze Pharaonenkind dem herz­brechenden Kummer. Was im Uebrigen durch äußere Mittel erreicht werden kann, ist natürlich nirgends unterlassen: die Deeorationen zaubern uns mitten in die Wunder der Nillande; die Masseuaufzüge altäghptischer Krieger und Volksgruppen sind von imposanter Wirkung; dagegen leiden die ver­schiedenen Ballets an einer hie und da ans Absurde streifenden Wunderlich­keit. Der musikalische Theil der hiesigen Aufführung war, wie von einer Bühne dieses Ranges nicht anders erwartet werden konnte, vortrefflich.

Bedeutender übrigens, als das eben geschilderte, dünkt mich, freilich nur nach meinem ganz subjectiven Ermessen, ein anderes theatralisches Ereigniß der