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an das unaufhaltsame Wachsthum der politischen Einsicht in Deutschland auf Grund sortgesetzter, an Arbeit fruchtbarer Eintracht zwischen Reichsregie- rung und Reichsvertretung. Das Band zwischen dem Reichskanzler und der nationalliberalen Partei scheint endlich festgeschlossen, wie es bisher nie der Fall war. Die Partei betrachtet den großen Staatsmann als den Ihren und als ihren Führer, von dem sie weiß, daß er jedem gerechten und möglichen Wunsche nachgiebt, dem sie jedes durch die Gesammtlage bedingte, unumgängliche Zugeständniß, wenn er es bezeichnet, bringt. Möge das Band sich bewähren zur lange noch anhaltenden Förderung des großen Werkes, in welchem die deutsche Nation begriffen ist, das auf dem gelegten Grunde bereits so stattlich und vielversprechend sich erhebt, aber doch noch lange nicht vollendet ist.
Von den Aufgaben, welche außer dem Militärgesetz dem Reichstag in dieser außerordentlichen Session oblagen, ist die Novelle zur Gewerbeordnung mit ihrer strafrechtlichen Ahndung des Contraktbruches eines sanften Todes in der Commission entschlafen. Dafür sind noch drei sehr wichtige Gesetze zum glücklichen Abschluß gelangt: Das Reichspreßgesetz, das Gesetz über das Reichspapiergeld und das Gesetz gegen die unbefugte Ausübung von Kirchenämtern. Das Preßgesetz wollen wir im Einzelnen nicht mehr beleuchten. Seine unläugbar große Bedeutung liegt einmal in der einheitlichen Regelung der Presse für das deutsche Reich und zweitens in der Beseitigung der Zeitungssteuer und Kautionspflicht, welche den größten Theil der deutschen Presse noch belasteten. Wir werden wahrscheinlich in Folge dieser Erleichterung in der nächsten Zeit eine nicht geringe Zahl neuer Preßunternehmungen aufschießen sehen. Die älteren Unternehmungen werden nicht unterlassen, die zum Theil recht erheblichen Summen, welche sie durch das neue Gesetz ersparen, auf erhöhte Leistungen zu verwenden. Wir wollen sehen, ob die Presse von der Erleichterung ihrer Unternehmungsmittel dauernden Gewinn zieht durch Steigerung des inneren Werthes der tonangebenden Unternehmungen, und ob damit das Niveau der gesummten Tagesliteratur sich hebt. Zu wünschen wäre eine solche Wirkung auf die deutsche Tagespresse gar sehr. Was die Art und Weise der Verhütung von Preßvergehen durch das neue Gesetz betrifft, so ist nichts Gutes darüber zu sagen, als daß der Boden einer einheitlichen Erfahrung geschaffen worden. Aber das ist nichts Geringes.
Das Gesetz über das Reichspapiergeld und das Gesetz gegen die unbefugte Ausübung von Kirchenämtern behandeln so wichtige Gegenstände und die betreffenden Verhandlungen sind theilweise so interessant gewesen, daß wir die Berichterstattung darüber einem Epilog zu dieser Reichstagssession aufsparen wollen, der auch den heute aus kaiserlichem Munde gesprochenen Epilog in Betracht ziehen wird. V—r,
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