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Ethische Grundlagen der Socialpolitik.
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nicht ein solches Ausnahmegesetz wie das über Bestrafung des Contraktbruches vorlegen oder gutheißen. Man verwirrt die sittlichen Begriffe des Volkes und schwächt sein Vertrauen in die Weisheit der Staatsleitung, wenn man heute die vorauszusehenden Consequenzen eines Gesetzes kriminalrechtlich bestraft, welches man als ein nothwendiges gestern erlassen hat. Hierin liegt, gelinde ausgedrückt, eine große pädagogische Ungeschicklichkeit.

Es kann selbstverständlich die Nothwendigkeit eintreten, eine dem Volke oder einer Volksklasse gewährte Freiheit wieder zu entziehen; aber diese Noth­wendigkeit ist eine sehr traurige und nicht ohne schlimme Folgen zu ver­wirklichende. Eine altgewohnte, wenn auch an und für sich drückende Be­schränkung weiter zu erdulden, ist sehr viel leichter als eine bereits gewährte Freiheit aufs neue entbehren zu müssen.

Jedes erwachsenen Menschen Pflicht ist es, durch eigene Arbeit sich seinen Lebensunterhalt zu erwerben; nur das Vor­handensein abnormer körperlicher oder geistiger Schwäche kann die Nichterfüllung derselben entschuldigen. In der Arbeit liegt aber zugleich ein hohes, wichti­ges Vorrecht des Menschen. Nur der arbeitende Mensch bleibt geistig und leiblich gesund; die Anspannung seiner Kräfte verschafft dem Menschen nicht nur die Möglichkeit, die für seine Fortexistenz nöthigen wirthschaftlichen Güter zu erwerben, sondern sie gewährt zugleich eine große innere Befriedigung. Von der Arbeitsfähigkeit und Arbeitslust hängt die Wohlfahrt und das Gedeihen eines Volkes in hohem Grade ab; beide sind in gleichem Maße für den Erfolg der Arbeit entscheidend, die Lust zur Arbeit ist außerdem mit einer gewissen sittlichen Tüchtigkeit untrennbar verbunden. Wer die Ar­beit lediglich als Mittel zur Erreichung äußerer Zwecke b etrachtete, hat keine Wirkliche Lust zur Arbeit; er arbeitet nur so viel und so lange, als es unum­gänglich nöthig erscheint; sein Ziel ist der träge erschlaffende Genuß, nicht die nach gethaner Arbeit so berechtigte und wohlthätige Ruhe. Ein Volk, welchem der Sinn für den inneren Werth der Arbeit abhanden gekommen, welches blos um des späteren Genusses willen thätig ist, befindet sich auf der ver- hängnißvollen Bahn, welche zu seinem wirthschaftlichen und politischen Un­tergang führt. Arbeitsamkeit ist eine sittliche Eigenschaft, deren sorgfältige Pflege im dringendsten Interesse des Staates liegt, die Erfüllung dieser Auf­gabe kann und muß auf den verschiedensten Gebieten angestrebt werden; so namentlich bei der Bildung und Erziehung der Jugend; ferner bei der Be­schäftigung derjenigen Personen, welche direct im Dienste des Staates arbeiten; bei der Behandlung der theilweise Arbeitsunfähigen oder der Arbeitsscheuen u. s. w. Der Staat soll durch seine Maßnahmen immer zeigen, daß er jeden seiner Angehörigen für verpflichtet hält, die ihm gegebenen Kräfte auch in angemessener Weise anzustrengen, und daß Müßiggang ein Laster ist, welches