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hören verlangt. Was zur Erhaltung des gegenwärtigen Heereswesens nothwendig ist, das ist die Nation bereit von ihren großen militärischen Autoritäten sich sagen zu lassen; und dieser Ausspruch gilt ihr als der maßgebende. Im Reichstage scheint man anders zu denken. Aber wir halten es wirklich für unmöglich, daß die Vertreter der deutschen Nation zu ihrer maßgebenden Autorität bei der Berathung des Militairgesetzes nicht Moltke sondern Lasker sich erkoren!
Wenn man sich die gegenwärtige politische Situation klarlegen will, so hat man von einem Satze auszugehen: die Grundlagen und Prinzipien unseres Militairwesens können nicht angetastet werden; sie werden es nicht werden. Fest und unerschüttert ist unser Vertrauen, daß die Regierung keinen Finger breit aus prinzipiellem Boden nachgeben werde; und fast als eine Beleidigung des kaiserlichen Heldengreises, würden wir es bezeichnen müssen, wenn Jemand auch nur eine Sekunde wähnen wollte, Kaiser Wilhelm würde auch nur die kleinste Veränderung in den Prinzipien der Heercsorganisation zugeben. Und bleibt heute die Regierung fest, sie kann versichert sein, die Nation wäre in einem Conflikte zwischen Krone und Parlament heute auf der Seite der Regierung. Wollen die liberalen Parteien einen neuen Conslikt Heraufrufen durch Ablehnung der Militairgesetzvorlage, so werden sie es erfahren, wie heute die Nation denkt und fühlt. Die Dinge stehen heute anders, als einstens zur Zeit des preußischen Militairconfliktes.
So deutlich als wir vermögen, wollen wir unsere Ansicht über die momentane Krisis aussprechen. Es ist ein Irrthum, zu glauben und zu sagen, daß es sich heute um das Schicksal des Militärgesetzes handelt, — nein, es handelt sich heute um die Zukunft des Liberalismus, um die Entscheidung über die innere Entwickelung in Preußen und im Reiche! Bringt diejenige Parteirichtung, die im wesentlichen ihre Ideen durch die Negierungspolitik der letzten Jahre ausgeführt sieht, jetzt das Militärgesetz zu Fall, so ist es unausbleiblich, daß die Beziehungen der Nationalliberalen zur Regierung sich lösen. Zum zweiten Male hätte eine große liberale Partei sich unfähig gezeigt, die Situation zu verstehen und praktische Politik zu treiben.
Alles, was heute reichsfeindlich ist, arbeitet aus dies Resultat hin. Die schwarze und die rothe Internationale, das feudale und das pietistische Jun- kerthum und die reichsfeindlichen Elemente der Fortschrittspartei: sie alle sind am Werke an verschiedenen Stellen, mit verschiedenen Mitteln, aber alle zu demselben Ziele. In ihrem Parteiinteresse, so verschieden es bei den einzelnen sein mag. liegt das gegenwärtige politische Verhältniß zu stören. Für^sie alle ist der Hebel dazu die Militairfrage.
Auf das ernsteste und gewissenhafteste werden die Nationalliberalen zu erwägen haben, in welchem Lager ihre Bundesgenossen zu suchen. Leider ist