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schmücken, deshalb kann die Sprache in ihrem eigentlichen Wesen, d. h. in ihrem grammatischen Bau, von dem fremden Idiom völlig unberührt bleiben. Dabei ist es aber eben leider nicht geblieben. Das Uebel ist tiefer eingedrungen; während wir den äußeren, an der Oberfläche sitzenden Schaden mechanisch zu beseitigen suchten, ist ein inneres organisches Leiden hinzugetreten: unsre Grammatik, vor allem unser Satz bau zeigt die bedenklichsten Symptome der Verwälschung.
Zahllos sind die Schriften und Schriftchen, die sich schon mit der lexikalischen Seite unsrer Frage beschäftigt haben; auch Brandstäter selbst spendet im zweiten Theile seines Buches (Phraseologische Galltscismen) einen reichen und dankenswerten Beitrag dazu. Viel wichtiger aber und der eigentliche Kern des Buches ist der dritte Theil (Syntaktische Gallicismen), der die grammatische Seite der Frage in einem bisher noch nicht dagewesenen Umfange behandelt. Brandstäter hat, wie er im Vorworte berichtet, seit zwölf Jahren bei seiner deutschen Erholungslectüre, indem er das Nützliche mit dem Angenehmen verband, über alle ihm aufstoßenden fehlerhaften Nachahmungen französischer Satzverbindung Buch geführt und legt nun die aus etwa siebenhundert deutschen Schriften gewonnene Ausbeute vor. Bei solcher Reichhaltigkeit noch zu mäkeln, das könnte im höchsten Grade unbillig er- scheinen; und doch können wir dem fleißigen Sammler, bevor wir auf seine Resultate selbst eingehen, einige Ausstellungen in Bezug auf seine Quellen nicht ersparen. Brandstäter hat, wie er auf dem Titel seines Buches ausdrücklich hervorhebt, besondere Rücksicht auf die neuere schönwissenschaftliche Literatur genommen. Seine Zusammenstellung erhält dadurch ohne Zweifel ein eigenthümliches, wenn auch sehr trauriges Interesse, insofern sie beweist, welche erschreckenden Fortschritte die Sprachmengerei gerade in einem Literaturzweige gemacht hat, der seiner ganzen Natur nach den breitesten Einfluß auf die große Masse übt: im Roman. Dabei ist es jedoch zu beklagen, daß Brandstäter in der Wahl seiner „Erholungslectüre" nicht etwas planvoller verfahren ist. Er hat auf der einen Seite mit staunenswerther Selbstverläugnung literarische Producte seiner Aufmerksamkeit gewürdigt, deren Lectüre wir uns ganz entschieden erlassen haben würden; andererseits hat er Schriften ignorirt. deren Benutzung man, nach den berücksichtigten zu urtheilen, aufs bestimmteste bei ihm voraussetzen sollte. Wo z. B. Hesekiel, Holtei, Hackländer, Spielhagen, Brachvogel u. a. eine so ausgedehnte Beachtung erfahren haben, da sollte man erwarten, daß auch Wilibald Alexis, Gerstäcker, Edmund Höfer u. a. zum Vergleich herangezogen wären. Und noch befremdlicher ist es, wenn man sieht, daß manche Schriftsteller zwar berücksichtigt, aber entweder ganz ungenügend vertreten oder vielleicht gar gerade ihre hervorragendsten Schöpfungen bei Seite gelassen sind. Von großem Interesse wäre es z. B. ge-