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Ueber den Styl in der Kriegskunst :
(Schluß.)
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LAZ

keinesweges derselbe wie derjenige ihrer Soldherren, in deren Dienste sie fochten. Für diese wäre natürlich ein reiner Sieg das Wünschenswerteste gewesen, also das ächte, wahre Kunstwerk; Zweck der Condottieren aber war der Scheinsieg, der den Krieg nicht endete; denn sie führten den Krieg nicht um des Sieges, sondern um des Krieges willen. Die Schlacht war für sie ein Virtuosenkunststück, bei dem es darauf ankam, durch geschickte Schachzüge den Gegner dahin zu bringen, daß er genöthigt war, sich unter ungünstigen Um­ständen zum Treffen zu stellen. Hatte man ihn dahin gebracht, so erfolgte ein Scheingefecht, bei dem, einem stillschweigenden Uebereinkommen, einem Zunftgesetze zufolge, wo möglich gar kein Blut vergossen, wohl aber Ge­fangene gemacht wurden und zwar solche, die im Stande waren, ein gutes Lösegeld zu zahlen. Genau so wie z. B. gewisse musikalische Virtuosen nicht deshalb eine Composition spielen, um eben diese und ihren geistigen Ge­halt zu vollendetem Ausdruck zu bringen, vielmehr deshalb, um an jenem Musikstück ihre persönliche Fertigkeit, ihre Virtuosität und Volubilität zur staunenerregenden Geltung zu bringen und nebenbei ihren Beutel zu füllen ebenso führten jene Condottieren Krieg nicht, um den vorgesteckten Zweck einfach zu erreichen und den Sieg zu erringen, sondern um bei der Gelegen­heit ihre Capriolen zu machen, ihre Virtuosität und Manövrirkunst zu zeigen und nebenbei ihren Beutel zu füllen. Ich will nur an jene Tiberschlacht von Anghiary (1440) erinnern, in welcher die Mailänder nach vierstündigem, wech­selvollem Kampfe geschlagen wurden und mit Verlust einer überaus großen Zahl edler Gefangener das Schlachtfeld räumten. Dieser Sieg, von dem ganz Italien begeistert war, zu dessen Verherrlichung Michel Angelo einen weltberühmten Carton entworfen hat mit welchen Opfern hatten ihn die Florentiner erkauft? Machiavelli versichert, daß nur ein einziger Kaval- lerist, der im Gedränge vom Rosse fiel und hinterher zertreten wurde, ein Opfer des Todes gewesen sei. Das nenne ich militärisches Virtuosenthum! Es ist eben Alles conventionell, alles Attitüde, keine Spur von Hingebung! Ein solcher Condottiere will ebensowenig wie jener musikalische Virtuos die Sache, sondern er will sich; bei dem einen wie bei dem andern ist esViel Lärmen um Nichts", und es ist gewiß nicht zufällig, daß eben in Italien und zwar zur Zeit der Renaissance, als das Künstler- und Virtuvsenthum tiefer in alle Lebensverhältnisse eingriff als vielleicht jemals sonst in der Ge­schichte, auch die Kriegskunst jener Ausartung verfiel.

Die Renaissance hatte aus den Trümmern der Antike nur ein s ormales Moment, nur einen Kanon bestimmter Gliederungen und Details gewinnen können, während die Gesammtanlage, die Art und Weise, wie den modernen Anforderungen und Lebensbedingungen in jenen Formen genügt wurde, ihre Aufgabe und ihr Verdienst blieb.