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Lin mittelalterliches Mosaik in Köln.
Wer vor dem Jahre 1868 in die Krypta der hochberühmten Gereons- kirche in Köln hinabstieg, dem bot sich dort ein höchst eigenthümlicher Anblick. Den Boden des weiten Raumes fand der Beschauer buchstäblich gepflastert mit ungefähr KVO größeren und kleineren Mvsaikfragmenten, deren unregelmäßige Bruchlinien bekundeten, daß die Neste einem großen Boden angehörten, den man in barbarischer Weise zerstört und dann als Pflastermaterial benutzt hatte. Da lag z. B. neben einem Bruchstück, welches einen Kopf darstellt, ein Fuß, daneben ein Gewandstück oder eine Waffe, ein Stadtthor oder ein Jnschriftfragment. Ein wunderliches Durcheinander, eine dämonische Sphinx, die dem Fremdling unlösbare Räthsel vorlegte.
Schon Anfangs der dreißiger Jahre versuchte der Maler Pereira die Reeonstruction des untergegangenen Kunstwerks. Pereira begann seine Arbeit in ganz rationeller Weise damit, daß er die einzelnen Fragmente durchpauste und mit diesen in Privatbesitz noch vorhandenen Pausen den ursprünglichen Zusammenhang zu ermitteln sich bestrebte. Diese Bemühungen scheiterten aber an der Ungenauigkeit der Arbeit, weil der Künstler auf die genaue Zeichnung der Bruchlinien, die beim späteren Aneinanderpassen in hervorragender Weise maßgebend sein mußten, nicht die nöthige Sorgfalt gelegt hatte. — Später schickte der damalige Kronprinz Friedrich Wilhelm IV. einen Maler aus Berlin nach Gereon; dieser glaubte eine Darstellung des Urtheils Salomo's gefunden zu haben, kam aber zu keinem Resultat. — Gottfried Kinkel machte in seiner i. I. 1845, erschienenen Geschichte der bildenden Künste auf die Mosaiken aufmerksam, aber dieselben waren und blieben ein Buch mit sieben Siegeln. — Endlich fand sich der richtige Mann in der Person eines hiesigen Künstlers, des Malers Toni Avenarius, welcher mit energischem Muth und liebender Hingabe ans Werk ging. Avenarius machte sich das von Pereira angedeutete Verfahren zu eigen und zeichnete alle Stücke durch, wobei er mit Rücksicht auf die später zu machenden Zusammenstcllungs- Versuche die größte Sorgfalt aus die Bruchumrisse verwandte. Mit diesen Pausen begann er, unterstützt von seiner kunstsinnigen Gattin, die Versuche des Aneinanderpassens. Die Arbeit wurde bald mit schönem Erfolg gekrönt; bald konnte Avenarius sein -L^x« ausrufen, als er das Bild eines thronenden David gefunden hatte. Durch diese Entdeckung war der Weg für die weiteren Versuche vorgezeichnet; denn jetzt war die Annahme berechtigt, daß es sich um alttestamentarische Darstellungen handelte.
So ergab sich ein Cyclus von zwölf Darstellungen aus der Geschichte Josephs. Josuas, Simsons und Davids. 1) Joseph und Potiphars Weib; 2) die Kundschafter Josuas, die von der Buhlerin in Jericho aus einem