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Briefe aus der Kaiserstadt.
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lottenburg. soll sich die Gelegenheit zu persönlicher Begegnung mit dem Ge­lehrten bieten. Die Begegnung findet statt und die Akademie ist beschlossene Sache, Da begeht die Kurfürstin den Fehler, in der fröhlichen Stimmung des Festes ihrem Gemahl die Einwilligung zur Verlobung seines Bruders, des Markgrafen von Schwedt, mit der Prinzessin von Kurland abgewinnen zu wollen. Der Kurfürst, dieser Verbindung durchaus abgeneigt, weist die Bittende streng zurück, das Fest ist gestört. Alles scheint verloren. Warten­berg hat wieder Oberwasser. Dazu kommt, daß ein Page der Kurfürstin, Graf Schlieben, Wartenbergs Tochter entführt hat und das Liebespaar, wie sich herausstellt, bei der Fürstin in Charlottenburg Schutz gefunden hat. Wartenberg sammt seiner aufgeblasenen und herrschsüchtigen Gemahlin sind Feuer und Flamme, diesen Skandal aufs Aeußerste auszunutzen. Aber durch eine Verwechslung ist Leibnitz bei dem Charlottenburger Feste von einer un­bekannten Maske ein Kästchen mit einem Brillantschmuck und einer Quittung der englischen Bank zur Besorgung an die Gräfin Wartenberg übergeben worden; es stammt von einem Lord, mit welchem die Gräfin wohl nicht gerade erlaubte Beziehungen unterhält. Leibnitz, statt es zur Vernichtung des Wartenberg'schen Ehepaars zu benutzen, hat es der Gräfin in der discretesten Weise zugestellt. Dieser Edelmuth bewirkt in ihr den Anfang der Bekehrung. Und als dann gleich darauf Fräulein Pöllnitz, welche die Tante jenes Pagen ist, sammt Leibnitz in der gräflichen Wohnung erscheint und Jener der Frau Gräfin eine ehrenvolle Einladung an den Hof überbringt, dieser aber dem Grafen versichert, daß er in Berlin nur wissenschaftliche, und durchaus keine politischen Zwecke verfolge, da ist mit Einem Schlage Alles ausgesöhnt und selbst gegen die Verbindung der Tochter mit dem Pagen hat das uneigen­nützige Elternpaar nichts mehr einzuwenden. Zugleich ist im Schlosse aus Wien die Zustimmung zur Annahme des Königstitels eingetroffen, und so endet das Ganze mit der feierlichen Ausrufung des Königreichs Preußen und der Mündung der Akademie der Wissenschaften; nebenher natürlich auch mit den unausbleiblichen Verlobungen und den langen Gesichtern derjenigen, die auf eine andere Wendung gehofft hatten.

Nicht ohne Mühe haben wir diesen Faden der Handlung aus dem La­byrinth des Ganzen herausgeschält. Auf den ersten Blick erkennt man, daß hier weder von organischer Entwicklung, noch überhaupt von Einheitlichkeit der Actiön die Rede sein kann. Vor Allem fehlt uns der bestimmte Kern, um welchen die Handlung sich dreht. Nach dem oben Gesagten scheint es, als solle Leibnitz der Mittelpunkt sein. Aber was thut der Philosoph für die Entwicklung des Stücks? Gar nichts. Er ist lediglich die unschuldige Ursache und das Object der intriganten Machinationen des Grafen Warten­berg und seiner Gemahlin. In der That, diese Intriguen ziehen sich durch