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Ein englisches Urtheil über die Competenz des deutschen Reichs gegenüber den Einzelstaaten.
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Wenn die Centralbehörden competent sind, so ist lediglich eine Majorität in beiden gesetzgebenden Körpern des Reichs erforderlich wenn dagegen die Zustimmung der einzelnen Landtage und Fürsten verlangt wird, so genügt der Widerspruch eines einzigen um die Absichten der Uebrigen zu verhindern. Im vollen Bewußtsein des Ernstes der Frage hat die Preußische Regierung von Anfang an den festen Standpunkt eingenommen und festgehalten, daß in allen Fragen des Reiches die Souveräner«: der Einzelstaaten der sichern Verwaltung der Centralbehörden anvertraut worden ist, deren Beschlüsse also in keinem Falle der Bestätigung der Lokalregierungen bedürfen. Die meisten der kleineren Regierungen nahmen bereitwillig diese Ansicht an. Aber es waren auch Gegner vorhanden.

Den drei kleineren Königreichen schien es ihrer Würde nicht entsprechend, in Bezug auf das Recht ihrer selbständigen Existenz auf eine Linie mit den Fürstenthümern gestellt zu werden. Wenn Reuß-Schleiz damit zufrieden ist, eine größere Beschränkung seiner Souveränetcit von dem Votum der gesetzge­benden Bürger des Reichs abhängen zn lassen, so waren die Könige von Bayern, Sachsen und Württemberg anderer Ansicht und wollten sich das Ein­spruchsrecht gegen derartige Maßregeln reserviren. Dies war noch vor we­nigen Monaten der Standpunkt der drei Könige. Als deshalb ihre Bevoll­mächtigten im Bundesrathe gefragt wurden, ob sie der Maßregel eines ge­meinsamen bürgerlichen Gesetzbuchs zustimmten, gaben sie eine zwar etwas dunkle Antwort, deren Sinn aber dahin verstanden wurde, daß ihre Regie­rungen sich für verpflichtet hielten, die Frage erst vor ihre Landtage zu brin­gen. In Sachsen stimmten beide Kammern dem Reichsgesetz zu, in Bayern das Unterhaus, während das Oberhaus es verwarf. In Württemberg ent­schloß sich die Regierung nach näherer Ueberlegung, ohne Zustimmung der Kammern zu erklären, daß sie für die beabsichtigte Reform stimmen würde. So weit war das Benehmen dieser Regierungen klar und verständlich genug. Nun kommt aber ein Zwischensall hinzu, der nicht unbemerkt bleiben darf, wenn man sich mit der relativen Stärke der in Deutschland vorhandenen po­litischen Faetoren bekannt machen will. Unmittelbar vor der in Rede stehen­den Abstimmung in den Sächsischen und Bayerischen Kammern erklärten die Minister beider Länder diesen hohen Versammlungen, daß wenn sie auch ihren Rath befragt, sie ihnen doch nicht das Recht einer entscheidenden Stimme in Reichsangelegenheiten zugestehen könnten. Mit andern Worten, sie erkannten das Recht der Centralbehörden an, diese oder eine andre Reform ohne Sanc­tion der Einzellandtage einzuführen; sie hatten es aber in dem vorliegenden Falle für besser gehalten, die letzteren zu fragen, bevor sie die Vertreter im Bundesrath mit Auftrag versahen.

Aus verschiedenen Gründen ist es nicht denkbar, daß diese Regierungen