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die einzige Neuerung werde die Theilnahme der elsaß-lothringischen Bevölkerung an den Wahlen zum Reichstage sein. Sollte denn aber wirklich der Umstand, daß die elsaß-lothringische Gesetzgebung, statt wie bisher durch Kaiser und Bundesrat!) allein, in Zukunft durch sämmtliche Factoren der Reichslegislative ausgeübt werden wird, von gar keiner Bedeutung sein? Wenn bisher die Klage erhoben wurde, daß man das Land ungehört mit einer Fluth neuer Gesetze überschütte, so wird in diesem Punkte wenigstens nunmehr Wandel geschaffen werden. Das Ideal der sogenannten elsässisch-elsas- sischen Partei, die volle Autonomie, ist freilich damit noch nicht erreicht, aber die 15 elsaß-lothringischen Abgeordneten werden doch im Reichstage offen und laut ihre Stimme erheben können für die Interessen ihres Landes. Die Entscheidung freilich wird in den Händen einer nicht-elsaßlothringischen Majorität liegen; aber es ist ihnen doch die Möglichkeit gegeben, diese Majorität aufzuklären, sie zu beeinflussen. In welchem Grade, das wird lediglich von dem politischen Standpunkte der reichsländischen Abgeordneten abhängen. Wir zweifeln nicht, daß elsässische Particularisten, wenn sie sich wirklich aufrichtig auf den Boden der gegebenen Thatsachen stellen und jeden Gedanken an eine Wiedervereinigung mit Frankreich aus ihren Bestrebungen verbannen, beim Reichstage Entgegenkommen finden werden, während man über französische Protestler selbstverständlich zur Tagesordnung übergehen wird. Soviel ist klar, daß die Bevölkerung des Reichslandes in diesem Augenblicke geradezu die Entscheidung über ihr künftiges Schicksal in der Hand hält.
Leider ist zur Stunde noch durchaus zweifelhaft, in welcher Richtung sie diese Entscheidung fällen wird. Die Wichtigkeit des Moments ist offenbar noch weit entfernt, allgemein begriffen zu sein; von einer eigentlichen Wahlbewegung im Lande ist nicht zu reden. Da und dort hat sich eine Anzahl Männer über eine Candidatur besprochen, wohl auch eine solche aufgestellt; mit welcher Aussicht auf Erfolg ist aber noch nirgends zu sagen. Obendrein fehlt in der elsässisch-elsässischen Partei noch gar zu sehr die Klarheit des Wollens. Haben die Männer dieser Richtung wirklich erkannt, daß ihre Politik nur Sache des Verstandes, niemals Sache des Herzens sein darf, wozu dann noch immer dieser unmännlich-larmoyante Ton, mit welchem ihr Organ, das „Elsässische Journal" das Verhältniß Elsaß-Lothringens zum Reiche zu behandeln liebt? Was soll man sich denken bei den ewigen Klagen über die Trübsal dieser Zeit und bei der Vertröstung mit der Hoffnung auf eine bessere Zukunft? Gern wollen wir glauben, daß die Leiter des genannten Blattes dabei die Beseitigung des gegenwärtigen Dictaturzustandes und die berechtigte Betheiligung Elsaß-Lothringens an der politischen Verwaltung ihres Hetmathlandes im Sinn haben; wollte aber Jemand die „bessere Zukunft" als die Wiedervereinigung mit Frankreich deuten, so würde er dafür in den