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Dranmor's Dichtungen.
Die unwiderstehliche Anziehungskraft, die Goethe's Faust immer von neuem auf die Gemüther ausübt, besteht wohl in dem Contrast des gewaltigen Geistes, der Himmel und Erde durchstürmt und doch über die Grenzen der menschlichen Natur nicht hinauskommt, ein Contrast, der in jeder vorwärtsstrebenden Seele existirt und deshalb jede in des Dichterfürsten größtem Werke so verwandt anmuthet. Eine ähnliche Faustnatur spricht aus einem Band von Gedichten, der, in Berlin bei Gebrüder Paetel erschienen, vor uns liegt: aus Dranmor's gesammelten Dichtungen.
Schon vor mehreren Jahre lenkten Dranmor's „Poetische Fragmente", später seine erschütternde Klage um den Tod Kaiser Marmilian's, die Aufmerksamkeit des gebildeten Lesepublikums auf sich, und unsre besten Zeitschriften, darunter allerdings vorzugsweise oestreichische, waren einig in vollster Anerkenung der hohen poetischen Begabung dieses Dichters.
Reiche Phantasie, glühende Farben, prächtige Schilderungen, tiefe Empfindung und große Formengewandheit sprechen aus jedem seiner Gedichte, ob er vor der Fischerhütte der einst Geliebten gedenkt, ob er zu seinem armen Kind Perdita redet, ob er der unheimlichen Macht „?edr<; amarMg," seinen Kranz windet, ob er den großen Wassern seinen Gruß bietet: „O Meer! Du bist das ewig zaubervolle, das ewig schöne und das ewig wahre, die große Wiege und die Todtenbahre" — oder ob er Nachts auf dem Schiffsverdeck vor St. Helena seine ernste Umschau hält in Zeit und Geschichte. Von ganz eigenthümlichem Tone sind die beiden Erzählungen „^nuario vilreia" und „Aus Peru." Die erste charakterisier die wilde, ungebändigte Leidenschaft des Südens, die da fordert Aug' um Auge, Zahn um Zahn, die zweite schildert reizend den naiven, wunschlosen Eingebornen, dem die Götter verbieten das blanke Metall, das sie in der Erde verborgen, „mit gierigen Händen zu fassen", und der auf das Drängen des Europäers nur die Schlußantwort hat: „Verzeih mir. Väterchen, es darf nicht sein."
Aber fast mehr noch als seine Gedichte, interessirt uns der Dichter, der Mensch, der sein rastloses Borwärtsstreben, sein Ringen und Leiden in sie gelegt.
Wer ist Dranmor? Ein Schweizer, der früh die Heimath verlassen, die Meere durchkreuzt hat und jetzt im Süden lebt. So viel sagen uns seine Gedichte , und vielmehr bieten auch die kurzen Notizen über seine glänzende und einflußreiche Lebensstellung nicht, die >da und dort zu finden sind. Ein reicher Geist durchdringt die Verse, aber trotz so seltener Begabung zittert auch darin ein zermalmender Weltschmerz, oft eine Hoffnungslosigkeit über das