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Briefe aus der Kaiserstadt.
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gehaltene und nicht grade besonders fein ausgeführte Composition von TschautschSchneewittchen" hierher rechnen will. Auffallend ist. daß die Scenen des letzten Krieges so wenig benutzt worden sind. Die beiden ein­zigen in diese Kategorie gehörigen Stücke legen größeren Werth auf das landschaftliche Moment, als auf die kriegerische Action. Zum mindesten gilt dies von Kolitz'In der Gegend von Le Mans" eine unheimlich düstere sehr wirkungsvolle Winterlandschaft. Auch über L. Braun'sBe­freiung bairischer Kriegsgefangener" liegt ein eigenthümliches Zwielicht, in welchem die bairtschen Chevaurlegers wie rächende Schatten daherfahren, um einer französischen Colonne die gefangenen Brüder abzujagen. Im Ganzen macht sich in dem Bilde doch ein zu großer Mangel an Klarheit bemerklich.

Bei weitem die Oberherrschaft hat in der Ausstellung die Landschafts­und die Genremalerei. In letzterer sehen wir namentlich von O. Becker und A. Lüden Treffliches geleistet. Von welch drastischer Lebenswahrheit ist Becker'sNach der Zeche"! Ein biederer Bauersmann hat sich beim Glase gütlich gethan, und zwar recht gründlich; wollte er's leugnen, seine Nase würde ihn unbarmherzig Lügen strafen. Nun geht's ans Bezahlen: mit welch hochernster Miene 'er die Westentasche bis in die kleinsten Falten durch­sucht; aber da will sich kein Kreuzer mehr finden. Halb wartend, halb drohend hat sich die Kellnerin an ihn herangedrängt, derweil der wohlfituirte Förster, behaglich vor seinen Bierkrug hingepflanzt, der Entwicklung der Dinge schmunzelnd zuschaut. Dasselbe thun wir; nur daß wir nicht das Glück haben, die Lösung des Knotens mit ansehen zu dürfen. Von gleicher Naturwahrheit, nur ein wenig gar zu derb realistisch, ist Lüben'sAscher­mittwoch". In einer engen mittelalterlichen Straße lehnt am frühen Morgen eine stark derangirte Maske an einer Hausthür, vergebens das Schlüsselloch suchend und mit jenem Ausdruck in den Züaen. den nur der zu würdigen weiß, den auch einmal der Menschheit ganzer Jammer angefaßt. Neben dem Unglücklichen erblicken wir den treuen Hund, doch nicht als fürsorglichen Wächter, auch nicht als mitleidigen Freund, sondern auch ihn offenbar in ganz ähnlicher Verfassung wie seinen Herrn. Was Wunder, daß die zur Frühmesse vorüberschreitende Matrone sammt ihrem Diener starr dasteht vor Korrem-" über diese scandalöse Scene; auch die Bauersfrau schüttelt be­denklich den Kopf und selbst der Junge, den sie an der Hand führt, schaut ganz verdutzt drein und wagt nicht zu lachen. Möge den frischwan- gigen Bengel mit dem geflickten Kittel und der gewirkten Zipfelmütze der Seelenzustand der seltsamen Erscheinung dort stets ein eben so unlösbares Problem bleiben, als welches er ihm in diesem Augenblick erscheint! Ein recht anmuthiges Bild ist eineMarktscene" von Knorr. Den Mittelpunkt bildet ein alter Wallnußhändler, eben damit bejchäs- tigt, einer kleinen Käuferin die Waaren abzuzählen. Wie schlau und doch wie gutmüthig der Graubart lächelt und wie sorglich ernst das herzige Blondköpfchen ihm zuschaut! Von beneidenswerther ethnographisch-charak­teristischer Bedeutung sind Suhrlandt'sRussische Pferdehändler". Eine Mischung von Landschafts- und Genrebild ist Karl Arnold'sAbgefaßt": ein Wilddieb wird vom Förster ertappt, als er ganz sorglos daran ist, seine Beute auf dem Schlitten heimzuziehn. Den gleichen gemischten Character trägt Th. Schütz'Sonntagabend im Dorfe." Der ganze Zauber der Dorfidylle liegt über dieser Composition von weiter Perspektive, trefflicher Gliederung und edlem Realismus. Im Vordergrunde die ganze Familie eines alleinstehen­den Bauernhauses in ungezwungenster Gruppirung-. die Großmutter in der Bibel lesend, der Vater behaglich sein Pfeifchen rauchend, die Mutter des