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Seitens der hessischen Generalsynode, als auch 1577 vom Generalconvente zu Treysa und in Folge dessen von den vier Landgrafen (den Söhnen Philipp's des Großmüthigen, unter welche dieser das Land getheilt hatte) in einem gemeinsamen, an den Kurfürsten von Sachsen gerichteten Schreiben zurückgewiesen. Indessen machte sich seit 1578, wenngleich äußerlich das An- sehn der Variata noch allgemein galt, die von der Luther'schen Auffassung abhängende Richtung in Oberhessen thatsächlich immer mehr geltend. Dies veranlaßte den 1592 zur Regierung gelangten Landgrafen Moritz, zum Schutze und zur Erhaltung der evangelischen Kirche Hessens in ihrer ursprünglichen, Melanchthon'schen (reformirten) Auffassung „drei Verbesserungspunkre" einzuführen. Dieselben bestanden in der Beseitigung der Bilder, dem Brodbrechen und der Vereinfachung der Liturgie. Das demgemäß von der hessischen Generalsynode aufgestellte Bekenntniß der reformirten Kirche Hessens beruft sich ausdrücklich auf die bisherige Kirchenordnung und enthält die Melanchthon'sche Auffassung vom Abendmahl. Als nun im 30jährigen Kriege Landgraf Georg von Darmstadt Oberhessen und Schmalkalden besetzt hatte, führte er daselbst 1624 mit Gewalt ein Bekenntniß ein, in welchem der mündliche Genuß des Leibes Christi, die eommumeatia iäiomawin und die „Allenthalbenheit" des Leibes Christi enthalten war; in Uebereinstimmung damit waren in den Religionsreversen der dortigen Geistlichen als Bekenntnißschriften die Jnvariata, die Apologie und die Concordie genannt. Um ihren Gegensatz hierzu hervorzuheben, wiesen dagegen die Theologen des reformirten Niederhessens auf der Synode zu Dordrecht und 1631 in dem „Gespräche" zu Leipzig auf das deutsch-reformirte Bekenntniß der Kirche Niederhessens hin. 1648, bei der Wiedervereinigung Oberhessens mit Niederhessen, wurde beiden Theilen ihr Bekenntniß durch den Westphälischen Friedensschluß ga- rantirt. Niederhessen blieb auch bei seinem reformirten Namen, der Heidelberger Katechismus ward hier 1657 und durch eine Verordnung von 1726 bestätigt; die 16S7 vorgenommene neue Redaction der Kirchenordnung endlich trug ganz den antilutherischen Charakter. Seitdem war keine Aenderung eingetreten, als plötzlich die oben erwähnte Ansicht, wonach Niederhessen eigentlich lutherisch sei, 1848 vom Vorstande des Missionsvereins offen aufgestellt wurde.
Mit Aufstellung dieser Ansicht war für den Gymnasialdirector Vilmar in Marburg der Punkt gefunden, an welchem er seine hierarchisch-politischen Ideen glaubte anknüpfen zu können. Es war verlockend für ihn, zu sehen, wie die Ultramontanen die damalige Bewegung mit großem Erfolge ausbeuteten; warum sollten nicht auch ihn diese günstigen Zeitumstände der Ausführung seiner Idee um einen wirklichen Schritt näher bringen? Entschluß und Waghalstgkeit zu solchem Vorgehen fehlte dem sehr leidenschaft-