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Accessionserfahrungen im Fürstenthum Waldeck :
(Schluß.)
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Stimme desselben im Bundesrath nicht entbehren könne. Nun mag freilich staats- und völkerrechtlich zweifelhaft sein, ob Preußen bei einfacher Annexion berechtigt wäre, diese Stimme mitzuannectiren; jedenfalls würden, da diese Annexion eine Abänderung der Reichsverfassung involviren würde, die be­kannten 14 Stimmen im Bundesrat!) es kurzweg daran verhindern können. Aber bei der Reichslandfrage kann es sich nur um folgende noch unentschie­dene Alternative handeln: entweder die Rcichslandsvertreter im Bundesrathe werden durch den Kaiser ernannt und dann gewinnt Preußen in den voraus­sichtlich 3 Stimmen von Elsaß-Lothringen für die waldecksche Stimme reich­lich Ersatz; oder jene Vertreter werden durch den Bundesrath als die Reprä­sentation sämmtlicher Fürsten des Reichs ernannt, und dann wäre die Stimme desReichslandes" Waldeck für Preußen ebensowenig unbedingt sicher, als diejenigen von Elsaß. Lothringen, Also liegt für die Constituirung Waldecks zum Neichslande nach dieser Seite gar kein Grund vor. Andererseits ist zu bedenken, daß, wie wenig auch das Verhältniß des Reichslandes zum Reiche bisher noch präcisirt sein mag, soviel doch bereits vorherzusehen ist, daß dem ersteren die finanzrechtliche Selbständigkeit nicht wird vorenthalten werden können. Grade das aber ist der Punkt, um den es sich bei Waldeck dreht. Ohne die Aussicht, daß sämmtliche Ausgaben des Landes aus der Reichskasse bestritten werden würden, wäre die Reichslandsqualität ohne allen Werth für dasselbe. Daß aber die gesetzgebenden Factoren des Reichs, nur zu dem Zwecke, einReichsland" mehr zu haben, durch einen besonderen Beschluß die Erb­schaft des Accesfionsvertrags in dieser Richtung übernehmen würden, ist in einer Zeit, der das Verständniß für denSegen der Vielgestaltigkeit des Staatslebens" mehr und mehr abhanden kommt, schwerlich zu erwarten.

Man sieht, die Aussichten in die Zukunft sind vollkommen geeignet, den waldeckschen Staatsbürger zur Verzweiflung zu bringen. In der That hat bereits der trübste Pessimismus die Stimmung des Ländchens ver­giftet. Dazu kommt, daß sich das Gros der waldeckschen Bevölkerung in einer außerordentlichen Unkenntniß über die wahre Natur der eigensten An­gelegenheiten befindet. Es gibt ja innerhalb der Landesgrenzen nicht einmal ein Blatt, weder ein unabhängiges, noch ein abhängiges, zur Besprechung der politischen Fragen des Landes und so kann von einer klaren und ent­schlossenen öffentlichen Meinung nicht die Rede sein. Was Wunder da, daß man der künftigen Entscheidung im Allgemeinen mit dumpfer Resignation, ja theilweise wie der Vogel Strauß entgegengeht! Umsomehr ist es Pflicht der wenigen Beherzten, den Dingen fest ins Gesicht zu sehen. Da irgend ein Ausweg ja doch gefunden werden muß, so wird man zunächst immer wieder auf die natürlichste und wünschenswertheste Lösung, die Annexion, zu­rückkommen, selbstverständlich aber die Annexion unter für das Land annehm-