Beitrag 
Vom preußischen Landtag.
Seite
354
Einzelbild herunterladen
 

M4

ging, die Negierung zu schwächen, auf ihre Fahne schreiben. Die Herren rechnen darauf, daß.dieser Katechismus immerhin einige Artikel enthält, die nicht veralten, und daß die vielen veralteten Artikel desselben noch keineswegs in allen Volkskreisen als unzeitgemäß oder als verwerflich überhaupt erkannt sind, und daß folglich die ultramontane Fahne, wenn sie ihre Farbe unter solche Embleme verbirgt, große Verwirrung anrichten mag und einen großen Aufenthalt verursachen in der Rückkehr des Liberalismus und des Volkes überhaupt zum Staatsverständniß und zur Gewährung dessen an den Staat was in gesunden Zuständen immer des Staates sein muß.

Ganz wird das Manöver nicht mißlingen, so plump es ist, dafür bürgt die Rede des Herrn Virchow, als gestern die Interpellation Windthorst's ver­handelt wurde. Diese Nede lief darauf hinaus, daß die Fortschrittspartei das Centrum jedesmal unterstützen will, wenn letzteresobjectiv gute Maß­regeln" beantragt, objectiv gute Maßregeln, wie sie Herrn Virchow vor­kommen. Da wird er bald des Centrums allergetreuester Schleppträger sein, denn gerade bei den objectiv guten Maßregeln des Herrn Virchow würde der Weizen des Centrums am schönsten blühen, das Centrum wird sich beeilen, den Durst des Herrn zu stillen. Indem dieser sich dem Centrumzu allen guten Dingen vollständig zur Verfügung stellte", bat er nur um ein schonen­des Tempo. Windrhorst antwortete mit reizendem Witz, das Centrum werde es so einrichten, daß der preußische Fortschritt mitkommen könne. Also diese beiden Seelen hätten sich gefunden! Es war vorauszusehen. Niemanden wird die unschädliche Ironie irre machen, in welche Herr Virchow seine Zu­stimmung zu kleiden suchte. Vergebens wird er sich auf das: si cluo taeiunt, idem, von Lst ictem, berufen. Wenn zwei Parteien dieselbe Sache wollen, die eine als Mittel, die andere als Zweck, so wird in 99 von 100 Fällen diejenige Partei zu ihrem Zweck kommen, welche den Zweck der andern für sich als Mittel zu gebrauchen weiß.

Es ist nun aber Grund zu der Hoffnung und das ist die erfreuliche Moral an der Geschichte: daß die Fortschrittspartet, welcher diejenigen DingeAngelegenheit des Herzens" sind, die für das Centrum nur taktische Mittel, bei dieser Gelegenheit in den vollen und reinen Gegensatz zu den national denkenden Theilen des Volks treten wird, in welchem sie steht, aber noch nicht erkannt ist. Aus dem Katechismus der vaterlandsliebenden, vom Verständniß der Zeit, von Ernst und Wahrhaftigkeit geleiteten Parteien wird bei dieser Gelegenheit eine Menge alter Plunder einer überlebten Epoche ver­schwinden, der sich sonst noch lange verwirrend fortgeschleppt hätte. Es ist der Theil des oppositionellen Katechismus, dem die Fortschrittspartei den Vorzug giebt und dessen Diskreditirung sie dadurch nicht aufhalten wird, daß sie seiner selbst unter der Führung der Ultramontanen sich annimmt.